Machtspiele

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buecherfan.wit Avatar

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Im Mittelpunkt von Imogen Crimps Roman “Unser wirkliches Leben“ steht die 24jährige Anna. Sie lässt sich an einem renommierten Konservatorium in London zur Opernsängerin ausbilden. Anna stammt aus einfachen Verhältnissen, und ihre Eltern können sie nicht unterstützen. Trotz des Stipendiums reicht das Geld nicht, denn für jedes Vorsingen, sogar für Auftritte muss bezahlt werden. Sie tritt abends als Jazz-Sängerin in einer Hotelbar auf, in der ihre beste Freundin Laurie kellnert, mit der sie sich ein schäbiges Zimmer teilt. In der Bar lernt sie eines Abends den 14 Jahre älteren Max kennen, einen reichen Banker, der ein teures Loft bewohnt und ein Haus in Oxford besitzt. Sie lässt sich mit ihm ein, verliebt sich, aber es ist ein großes Ungleichgewicht in dieser Beziehung, nicht nur was Alter, Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Klasse und Reichtum betrifft. Max gibt nichts von sich preis, scheint aber ihre Gedanken und Gefühle sehr genau zu kennen. Anna traut ihm immer weniger, auch in Bezug auf den Status seiner Ehe, die angeblich kurz vor der Scheidung steht. Anna lässt alles mit sich machen, fordert Max sogar dazu auf, ihr wehzutun. Diese masochistischen Szenen sind eher unerfreulich. Anna entwickelt Angstattacken und verliert ihre Stimme. Sie erkennt, dass sie Max liebt, er sie aber lediglich mag, sie hübsch und amüsant findet. Sie droht alles zu verlieren, was sie sich in dem harten Konkurrenzkampf mit den anderen Zöglingen des Konservatoriums aufgebaut hat.
In Crimps Roman passiert nicht viel. Annas schwerer Weg zusammen mit den von der Autorin kenntnisreich dargestellten Besonderheiten einer Ausbildung zur Opernsängerin nimmt breiten Raum ein. Weitere Themen sind die Macht des Patriarchats und emanzipatorische Bestrebungen einer Gruppe junger Frauen. Das ist nicht uninteressant, aber auch nicht sonderlich spannend. Wenn man sich für Musik interessiert, insbesondere für die großen Rollen in den Opern, ist der Roman dennoch zu empfehlen.