Hat mich etwas enttäuscht

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ismaela Avatar

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Deutschland in den 30er Jahren: Amelie und Hanna wollen, wie eine Handvoll weiterer Frauen auch, einen nahezu unmöglichen Traum leben – sie wollen als Pilotinnen im Flugzeug sitzen. Dafür kämpfen und trainieren sie hart, dafür müssen sie nicht nur ihre Familien immer wieder aufs Neue überzeugen, auch die Finanzierung ist alles andere als einfach. Amelie und Hanna sind ein eingeschweißtes Team, das unzertrennlich seinen Weg geht, doch dies alles zerbricht, als Amelie einen Mann kennenlernt und von ihm schwanger wird. Plötzlich merkt sie, dass es noch etwas anderes gibt als Fliegen, doch dies will Hanna nicht akzeptieren und trifft eine verhängnisvolle Entscheidung.
Zeitsprung: im Deutschland der 1970er Jahre lebt Liselotte in einer Vernunftehe vor sich hin, hat sich ihrem Mann untergeordnet und führt ein vorschriftsmäßiges Hausfrauendasein. Sie fühlt sich leer und ausgebrannt, kann aber nicht genau sagen, warum eigentlich. Erst als ihre Mutter Amelie bei einem Autounfall schwer verletzt wird und im Koma liegt, bricht Liselotte aus, als sie zu ihr nach Frankfurt fährt, und dort nach und nach der höchst interessanten Vergangenheit ihrer Mutter Stück für Stück näher kommt.
Clarissa Linden hat sich hier zwei sehr schöne Themen ausgesucht, die den Leser fesseln – vor allem die Fliegerei für Frauen ist ein höchst interessantes Kapitel in der Geschichte der Luftfahrt. Ich war sehr gespannt auf die Lektüre, aber leider hat mich der Roman letztendlich dann doch etwas enttäuscht. Die Personen in der Geschichte sind allesamt relativ blass, ihre Beweggründe für ihre Handlungen teilweise nicht nachvollziehbar. Warum konnte Hannah nicht ohne Amelie fliegen, warum hielt sie sich allein für nicht gut genug, sodass sie letztendlich Amelies Leben zerstören musste. Nahezu alle der auftretenden Personen werden in Schwarz und Weiß eingeteilt: die Anhänger der Partei sind allesamt abgrundtief böse, diejenigen, die Widerstand leisten, sind Gutmenschen wie sie im Buche stehen. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Differenzierung gewünscht. Auch geht das Fliegerthema der Frauen ziemlich unter, da soviel außen herum passiert. Auch die Zeit in den 70ern ist vollgepackt mit allem Möglichen: der Studentenbewegung, Abtreibungsgegner, die Emanzipation von Liselotte von ihrem Mann, eine irgendwie lesbisch angehauchte Studentin-Nachbarin, und eine ominöse, völlig im Hintergrund agierende weitere Studentin, die mir nichts, dir nichts Informationen zu Amelie und ihrem „Geliebten“ zu Tage fördert. Das fand ich total unglaubwürdig und viel zu bequem. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr Stringenz gewünscht; Liselotte hätte ja auch zum Beispiel ein Tagebuch finden können. Auch das Schwarz und Weiß Schema geht weiter: auf der Suche nach Informationen suchen Marga (die Nachbarin) und Liselotte zwei ehemalige Fliegerinnen auf, aber anstatt sie auszufragen, nehmen sie sofort Reißaus, als sie merken, dass die beiden Damen die NS-Zeit nicht gänzlich ablehnen. Schwach!
Insgesamt ein guter Roman, mit einigen Schwächen, aber als Startlektüre für die frühe Frauenfliegerei durchaus zu empfehlen.