Von Müttern, Töchtern, Freundschaften und Träumen

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herbstrose Avatar

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1935: Amelie und Johanna sind enge Freundinnen, seit sie sich beim Segelfliegen kennen gelernt haben. Beide verbindet ein gemeinsamer Traum, sie wollen Pilotinnen werden und den Himmel erobern. Doch dann verliebt sich Amelie in Johannas Fluglehrer – die Tragödie beginnt. 1971: Nach einem Unfall liegt Amelie im Koma, ihre Tochter Lieselotte wird ans Krankenbett gerufen. Sie hatte nie eine enge Beziehung zu ihrer Mutter, weiß nichts über Amelies Vergangenheit und auch nichts über ihren eigenen Vater. So nützt Lieselotte die Gelegenheit, in Amelies Wohnung nachzuforschen. Sie findet einen alten, ungeöffneten Brief von Johanna. Jetzt ist ihre Neugierde geweckt und mit Hilfe der Nachbarin Marga begibt sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln …

Erste Versuche der Frauen in den 30er-Jahren sich gegenüber der Männerwelt zu behaupten, die Emanzipationsversuche der Frauen in den 70ern und eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung sind die großen Themen, die dieser Roman von Clarissa Linden aufgreift. Die Idee ist sehr gut, doch leider ist meiner Meinung nach die Umsetzung nicht ganz so gut gelungen.

Den Schreibstil fand ich etwas „holprig“, extrem kurze Sätze wechseln sich mit langen verschachtelten ab. Wiederholungen von Aussagen oder Informationen nach einigen Zeilen sollen wohl das Gesagte eindringlicher erscheinen lassen, stören aber nur den Lesefluss. Auch mit den Protagonistinnen hatte ich so meine Probleme. Erwartet hatte ich starke, selbstbewusste Frauen – gelesen habe ich über selbstzweiflerische, weinerliche und unentschlossene Personen, die zudem noch mit Attributen wie schön, hochgewachsen, schlank, mager, damenhaft, mit gebräunter Hautfarbe, oder klein, kräftig, stämmig und unscheinbar ausgestattet waren. Einen Bezug zu ihnen konnte ich nicht finden, nahe gekommen sind sie mir nicht. Lediglich Johanna, die aber durchweg negativ beschrieben wird, und 1971 die forsche, entschlossene Nachbarin Marga, kann man als starke Frauen bezeichnen.

Recht dürftig war die Darstellung der Nazi-Zeit - ein paar Allgemeinplätze, mehr nicht. Wenig Details über die damaligen Lebensverhältnisse, keine Einzelheiten über die acht jungen „Himmelsstürmerinnen“ mit ihrer gemeinsamen Leidenschaft zum Fliegen – und selbst die Liebe zwischen Amelie und Felix bleibt blass, schemenhaft und nicht nachvollziehbar. Sehr gut getroffen hingegen fand ich die Atmosphäre der 70er-Jahre. Überaus lebendig schildert die Autorin die trostlose Ehe von Lieselotte und Eduard und ihre halbherzigen Versuche, daraus auszubrechen. Gut gezeichnet und plastisch heraus gearbeitet sind die verschiedenen Frauen der Unterschriftenaktion gegen Paragraph 218, die von Lieselotte beobachtet werden. Sehr versöhnlich stimmt auch der Schluss des Romans. Die familiären Verhältnisse sind geklärt und jede der Frauen kann nun ihren ganz persönlichen Traum verwirklichen.

Fazit: Keine große Literatur, dennoch interessant und unterhaltsam.