Ein tolles, feinfühliges Buch über die großen Gefühle des Lebens.

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buecher.berge Avatar

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Als ehrenamtlicher Seelsorger ist es der 49-jährige Dumont gewöhnt, den Stimmen trauriger, verzweifelter, panischer Menschen zuzuhören und für sie da zu sein. Doch was, wenn der Mensch am anderen Ende der Leitung einfach schweigt? Dumont hört das Weinen der Anruferin, auf Nachfragen reagiert sie nicht. Sie legt auf, ruft wieder an, weint und schweigt, bis sie doch ein paar wenige Worte flüstert. Dumont nimmt dieser Anruf mehr mit als jeder bisherige. Auch in seinem einsamen Zuhause nach der Trennung seiner Frau, in seinem Job als Uhrmacher, denkt er immer wieder an die Frau, von der nur weiß, dass sie ans südfranzösische Antibes reisen wird. So nimmt sich Dumont eine Auszeit von seinem Leben und macht sich von Brüssel auf nach Südfrankreich, in der Hoffnung, die Spuren der Unbekannten nachzuspüren. Doch ist es in Antibes eine ganz andere Frau, die Dumonts Weg kreuzen und alles auf den Kopf stellen wird. Denn Florence ist auf ihre Weise gezeichnet vom Leben, fordert vielleicht mehr von Dumont, als er geben kann, und bringt ihn dazu, seinen inneren Maßstab von Richtig und Falsch sowie seine Zukunft zu überdenken.

Wenn Martin Ehrenhauser eines kann, dann die leisen Töne einfangen. Ich denke noch so oft an seinen Debütroman »Der Liebende«, denn dieses Buch hat sich mir 2023 ins Herz geschlichen, um zu bleiben. Dementsprechend hoch waren also die Erwartungen, mit denen ich mich auf »Unsere Suche nach Zärtlichkeit« gefreut habe. Und – so viel kann ich jetzt schon sagen: Sie wurden nicht enttäuscht. Denn, wenn es für mich zwar nicht ganz an die Emotionalität von »Der Liebende« herangereicht hat, ist dies hier ein Roman, der sich zu lesen und zu fühlen lohnt. Ich liebe den leisen Erzählstil, die bewussten Worte, die Sanftheit, mit der Ehrenhauser seine Figuren zum Leben erweckt und mit der er sie in seinen Büchern fühlen und handeln lässt. So ist auch »Unsere Suche nach Zärtlichkeit« ein Roman, bei dem ich jedes Wort ganz bewusst wahrnehmen wollte und die Seiten sich viel zu schnell dem Ende zuneigten. Und doch wird hier alles gesagt, das wichtig ist, eine Geschichte erzählt, die alles enthält. Dumont war mir dabei vom ersten Moment an sympathisch – ein herzlicher, warmer, einsamer, feinfühliger Mensch, gezeichnet vom Leben, auf der Suche nach dem Unbekannten, mit einem feinen, ehrlichen Blick auf die Welt. Die Beziehung, die sich zwischen Florence und Dumont entwickelt, ist so zart und zerbrechlich wie ehrlich und schön. Eine Beziehung zwischen zwei Menschen in der Mitte ihres Lebens, die beide ihre jeweiligen Päckchen aus ihrem bisherigen Leben tragen und die doch versuchen, sich aufeinander einzulassen, aufeinander zuzugehen, kleine Schritte vor- und rückwärts, elementare Fragen und kleine Gedanken. Vor der wunderschön beschriebenen Szenerie an der Küste Südfrankreichs, die einen beim Lesen wegträumen lässt. Ein Buch fürs Herz, wieder mal.