Familienporträt in Manns Lübeck

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fornika Avatar

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Lübeck, 1890. Die Familie von Rechtsanwalt Lindhorst bekommt ein Nesthäkchen, Marthe. Die kinderreiche Familie will in der Gesellschaft weiter aufsteigen, doch der Vater hat den falschen Beruf für den Senat, die Mutter mit ihren manisch-depressiven Phasen zu kämpfen. Marthes Kindheit und Jugend sind davon geprägt, ebenso wie von der Jahrhundertwende und der Veröffentlichung eines Romans über eine Familie, fast ganz wie die ihre.
Mahlkes Roman umspannt knapp sechzehn Jahre im kleinsten Staat des Kaiserreichs, unschwer ist für den Leser Lübeck zu erkennen. Das Stadtbild wird gut wiedergegeben, eine Karte erleichtert die Vorstellung zusätzlich. Man bekommt einen lebendigen Einblick in den Alltag der etwas besser Gestellten, aber auch der niederen Arbeiter. Natürlich fühlte ich mich beim Lesen an Manns Buddenbrooks erinnert, aber die Autorin schafft ein ganz eigenes Lesegefühl, das trotzdem seiner Zeit gerecht wird. Ich mochte den Erzählstil sehr, der Blick für die feinen Details, die Kleinigkeiten, die den Alltag ausmachen. Ebenso die Tatsache, dass eher die Frauen in den Fokus gerückt werden, auch und gerade weil sie zu dieser Zeit nicht automatisch das Sagen hatten. Besonders hat mir Ida gefallen, unverhofft zum Dienstmädchen geworden, aber mit doch ganz eigenen Zielen im Leben, die sie langsam, aber stur verfolgt.
Schon allein Familie Lindhorst zählt stolze zehn Mitglieder, auch sonst geizt Mahlke nicht mit Figuren; nicht immer gelingt der Überblick, Personenregister hin oder her. Eine gewisse Distanz blieb zu allen Figuren, trotzdem gefiel mir dieser Einblick in ganz unterschiedliche Lebenssituationen.
Fazit: Unsereins ist ein wirklich gelungener Roman, der zwar eine gewisse Aufmerksamkeit fordert, dafür aber auch belohnt.