Mut und selbstlose Liebe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
emmmbeee Avatar

Von

Angst und heimliches Weitergeben von verschlüsselten Nachrichten, Kontrolle und Verrat, Misstrauen und Verlust durchziehen den neuen Roman von Celeste Ng. Wieder legt sie ihren Finger auf eine problematische Stelle unserer Gesellschaft, diesmal fiktional. Big brother wird hier PACT genannt.
Seine Mutter nannte den kleinen Jungen Bird, doch dann war sie spurlos verschwunden. Fortan muss er sich mit seinem korrekten Namen Noah nennen lassen. Sein Vater löscht alle ihre Spuren aus, für die Öffentlich gut sichtbar. Denn sie hat ein Gedicht geschrieben, von dem eine Zeile angeblich die rebellischen Bürger zum Widerstand aufrufe. Bird möchte herausfinden, wo seine Mutter ist und warum sie ihn verlassen hat.
Da ist auch die rebellische Sadie, die ihren Eltern weggenommen wurde, um bei linientreuen Menschen aufzuwachsen. Mit ihr verbindet Bird eine feste Freundschaft. Auch sie will ihre Eltern finden und verstehen, warum sie nicht bei ihnen sein darf.
Von einer überaus korrekten, ärmlichen Welt über einen kurzen Ausflug in den Luxus bis zum äußerst kargen Dasein führt Birds Weg zu seiner Mutter, die immer noch für die Rückführung von Kindern kämpft, und zwar mit einem unerwarteten Mittel. Schon glaubt der Leser, dass es ein Happy End gibt, als sich ein weiterer Abgrund öffnet.
In diesem Roman geht es um Kontrolle und Ausgrenzung, Rassenhass und selbstlose Liebe, um Mut und Freundschaft. Celeste Ng errichtet vor uns eine Welt, wie sie durchaus sein könnte, gut vorstellbar im republikanischen Amerika oder diktatorisch regierten Ländern. Aus wechselndem Standpunkt schildert sie die Sichtweise von Bird, die Hintergründe für die Entscheidung seiner Mutter und die Verflechtung gegen Ende des Buches.
Dass mit dem Coverbild Vorhänge gemeint sind, hinter denen die Nachbarn spionieren, ist schon ziemlich unklar. Für mich wirken diese hellblauen Säulen eher wie die Schneiden von Messern oder die Gitterstäbe einer Absperrung.
Ich empfehle den Roman allen Lesern, denn er ist nicht nur hervorragend geschrieben, sondern öffnet uns auch die Augen vor den Gefahren, die einer Gesellschaft drohen, wenn die Obrigkeit das eigenständige Denken einschränkt.