Über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt

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vanessa_91 Avatar

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Meine Meinung und Inhalt

Die Autorin konnte mich bereits mit ihren ersten beiden Romanen – „Was ich euch nicht erzählte“ (2014) und „Kleine Feuer, überall“ (2017) – mit welchen sie bereits weltweit Erfolge feierte - überzeugen. In ihrem neusten Werk "Unsre verschwundenen Herzen" verwandelt sie die USA in eine faschistische Dystopie.


"Draußen ist es ruhig, die Luft ist frisch. Die Polizeiwagen sind verschwunden und auch die Menschen; das Gelände liegt verlassen da. Er sucht nach Anzeichen der Disruption – Krater, verbrannte Gebäude, zerbrochenes Glas. Nichts.Dann, als sie die Straße zu ihrem Wohnheim überqueren, sieht Bird es auf dem Boden: blutrot auf den Asphalt ge- sprüht, in der Mitte der Kreuzung. Groß wie ein Auto, unmöglich zu übersehen. Ein Herz wie auf dem Transparent in Brooklyn. Und diesmal umgeben von einem Ring aus Wör- tern. BRINGT UNSRE VERSCHWUNDENEN HERZEN ZU RÜCK –. Ein Kribbeln schlängelt sich über seine Haut. Beim Überqueren der Straße geht er langsamer und liest es noch einmal. BRINGT UNSRE VERSCHWUNDENEN HER ZEN ZURÜCK. Die halb trockene Farbe klebt an den Sohlen seiner Turnschuhe; sein Atem klebt ihm heiß in der Kehle." (ZITAT)



Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Seit einem Jahrzehnt wird ihr Leben von Gesetzen bestimmt, die nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Gewalt die »amerikanische Kultur« bewahren sollen. Vor allem asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, ihre Kinder zur Adoption freigegeben.

Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält, macht er sich auf die Suche. Er muss verstehen, warum sie ihn verlassen hat. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit, in Büchereien, die der Hort des Widerstands sind, und zu seiner Mutter. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint möglich. Eine genauso spannende wie berührende Geschichte über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt.


Schnell ist mir beim Lesen klar geworden, dass bestimmte Begebenheiten nicht mehr auf sich warten lassen, sondern bereits jetzt schon der Realität entsprechen. Im Roman fordert die USA dazu auf, Gründe für die Wirtschaftskrise zu finden. Irgendwann kanalisiert sich die Meinung, dass Mitbürger mit asiatischen Wurzeln die Schuld tragen. Bereits ihr Aussehen erregt das öffentliche Ärgernis. Es ist erschreckend darüber zu lesen, aber auch bei uns gegenwärtig, dass so viele sich eine solche Ansicht unreflektiert zu eigen machen. Die Vergangenheit der beiden Charaktere hätte die Autorin etwas besser ausarbeiten können, so bleibt die Geschichte etwas schwach im Mittelteil. Mich persönlich konnte das Buch rund um den Protagonisten dennoch sehr berühren und zum Nachdenken anregen und ich empfehle dieses Werk jedem, dem Dystopien und/oder Familienromane gefallen - und allen, die die bisherigen Bücher von Celeste Ng mögen.



Celeste Ng, geboren 1980, wuchs in Pittsburgh, Pennsylvania, und in Shaker Heights, Ohio, auf. Sie studierte Englisch in Harvard und Kreatives Schreiben an der University of Michigan. ›Was ich euch nicht erzählte‹ stand genauso auf der Bestsellerliste wie ›Kleine Feuer überall‹, das auch als Miniserie verfilmt wurde. Celeste Ng lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Cambridge, Massachusetts.