Inselkoller und Lokalkolorit

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Pippa Bolle - Die neue Königin der Amateurdetektive?

Die erste Zusammenarbeit der deutschen Autorinnen Auerbach und Keller wirkt äußerlich nicht unbedingt wie ein Krimi. Das in hellen Farben gehaltene Cover zeigt eine ältere Frau, die (skeptisch? misstrauisch?) aus ihrem Häuschen auf einen Tisch im Garten mit einem Stuhl und einer Tasse blickt. Ein kleines Vogelhäuschen in der Hecke und ein Vögelchen, das das Apostroph im Titel ersetzt, vervollständigen das harmlose Bild.

Statt der gewohnten Kurzbeschreibung bietet die erste Seite neben der Kurzbiographie der Autorinnen ein Interview mit der Protagonistin. Dieses deutet an, dass die vorliegende Geschichte vermutlich als Auftakt zu einer Serie geplant ist, da Frau Bolle wohl noch über weitere Fälle stolpern soll.

Nach der Widmung werden, wie bei einem Theaterstück, die Protagonisten der Geschichte vorgestellt. Die kleinen Sätze erklären sich natürlich erst im Laufe des Buches, sodass ich beim Lesen immer mal wieder nach vorne geblättert habe, um nochmal nachzuschauen, wie welcher Charakter beschrieben wurde.

Den Einstieg in die Geschichte macht eine bissige Episode, in der Lutz Erdmann, ein offensichtlich höchst unsympathischer und schmieriger Immobilienhai versucht, der rüstigen Dorabella von Schlittwitz ihre Schrebergartenparzelle abzuquatschen. Gleich zu Beginn wird der Leser klar in die zwei großen Fronten der Geschichte eingeführt und empfindet Bewunderung für den offensichtlich starken Zusammenhalt in der eingeschweißten Schrebergartengemeinde.

Im ersten Kapitel lernen wir dann Pippa Bolle kennen - eine Übersetzerin in den mittleren Jahren, die einige Pfunde zuviel und einen in Italien sitzengelassenen Ehemann mit sich rumschleppt. Außerdem wird man in die unterhaltsame Nachbarschaftsgemeinschaft der Transvaal 55 eingeführt, die ein Musterbeispiel für Toleranz darstellt.

Sosehr Pippa auch das Zusammenleben in dieser bunten Gemeinde genießt, sosehr sehnt sie sich doch nach Ruhe für ihre Arbeit und willigt gerne ein, als ihre beste Freundin ihr die Schrebergartenhütte ihres Vaters anbietet. Diese liegt auf der fiktiven Insel Schreberwerder, in der Nähe von Berlin. Wie in jeder Schrebergarten- und Campingsiedlung gibt es auch hier Dauerwohner und Wochenendgäste und es wird schnell klar, dass ein immer tieferer Keil zwischen den Nachbarn anwächst: Wer auch nur laut überlegt, an Lutz Erdmann zu verkaufen und seine Pläne eines Hanf-Resorts zu unterstützen, wird gleich schlechtgemacht und nahezu geächtet.

Nach einer großen Party beim Fiesling kommt es auch gleich zum ersten Todesfall und natürlich ist klar: Erdmann muss der Mörder sein! Dieser verstärkt auch noch das Misstrauen, indem er auf der Trauerfeier ein falsches Testament vorlegt, welches aber umgehend entkräftigt wird. Nun ist aber Pippas Spürsinn geweckt: Wie kann jemand, der in Italien weilt, in Schreberwerder ein Testament beglaubigen?

Mit Feingefühl und logischem Denken arbeitet sich Pippa zur Entwirrung der mysteriösen Todesumstände voran, als auch schon das nächste Unglück geschieht und die Polizei beginnt, der Inselgemeinschaft auf den Zahn zu fühlen.

Das Ende der Buches bildet neben der Danksagung und der gewohnten Werbung eine Leseprobe zu "Mutti steigt aus" von Tessa Hennig.

Fazit:

Pippas Einstand in die Ermittlerwelt hat mir sehr gut gefallen. Die Autorinnen haben einen flüssig zu lesenden Schreibstil, der sich aber auch dadurch hervorhebt, dass es keine Übersetzung aus dem Englischen ist und einfach sprachlich besser ist. Die Protagonisten wirken durchaus überzeugend, wenn auch vielleicht manchmal nicht tiefgründig genug, aber das hätte vermutlich den Rahmen des Buches gesprengt.

Leider kann ich nicht die volle Punktzahl vergeben, da mich doch noch einiges gestört hat. Wie kann es sein, dass das strittige Testament mit einem Geocache vergraben wird, einen Tag bevor es geschrieben wurde? Wieso bleibt Pippas Bruder Freddy nicht seiner anfänglichen Beschreibung treu? Wo er zu Beginn noch als wortkarg beschrieben wird, ist er zum Ende hin nur ein ganz normaler Polizist, der sich nicht besonders hervorhebt. Warum wird aus Angelika zwischendurch Angelina? Ist das ein Spitzname oder ein Schreibfehler? Die "Flöhe" der Familie Kästner mögen vielleicht ganz niedlich sein, irgendwie wird der Bezug auf den berühmten Namenspaten auf Dauer aber anstrengend.

Alles in allem ist "Unter allen Beeten ist Ruh'" ein sehr unterhaltsames, sehr empfehlenswertes Debütwerk zweier Autorinnen, die ihre sympathische Hauptdarstellerin hoffentlich noch weitere spannende Fälle lösen (und sich vielleicht auch neu verlieben?) lassen.