Möchte anspruchsvoll sein, aber ödet ziemlich an

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Wie fasse ich meine Meinung zu diesem Krimi zusammen, ohne ihm das Attribut "unerträglich schwedisch" zu geben? Das basiert nur auf meiner persönlichen Erfahrung und würde einer Studie wohl kaum standhalten, aber seltsamerweise sind es unter den Krimis, die ich lese, meist die schwedischen, die so verkniffen versuchen anspruchsvoll und gesellschaftskritisch zu sein, dass man sich nur so durch die Seiten quälen muss. Es passiert so unerträglich wenig und überall springt einem der traurige Alltag entgegen - Alltagsrassismus, jeder verdächtigt bei allem zuerst Flüchtlinge, Osteuropäer verdienen ihren Lebensunterhalt mit ausgedehnten Diebszügen. Die nervige Nachbarschaft in einem kleinen abgelegenen Ort, die meint, sie weiß alles über einen, nur weil man sich regelmäßig auf der Straße sieht und mit Namen kennt. Selbst wenn diese Klischees auf der Realität basieren - ich bin sie SO leid.

Im Prinzip spricht das Buch eine berechtigte Frage an: Woher kommt das gewalttätige Wesen eines Menschen? Die Ansicht, dass so etwas vererbt sein könnte, ist selbst in der Wissenschaft noch immer nicht vom Tisch - kein Wunder also, dass der kleine Isak glaubt, er hat bei einem gewalttätigen Großvater und einem Onkel, der im Gefängnis sitzt, weil er seine Freundin ermordet haben soll, keine Chance im Leben, bevor dieses überhaupt erst angefangen hat. Leider bietet das Buch in dieser immer noch aktuellen Frage keine neuen Einsichten und keine interessante Perspektive.

Weiteres Problem: Ich fand es schwer, die Ermittlungen ernst zu nehmen. Zeugenbefragungen bringen solche Perlen hervor wie:

"Ist er auch gewalttätig?"
- "Bestimmt." (S. 45)

Aha. Hervorragende Ermittlungsarbeit. Es wäre ja unproblematisch, wenn Isaks Onkel nicht auf Basis solcher Meinungen tatsächlich verurteilt worden wäre. Manchmal ist es bei einer Ermittlung definitiv eher schädlich als hilfreich, wenn jeder jeden kennt. Leute kennen einen vielleicht nicht wirklich, aber erlauben sich dann trotzdem eine Meinung über einen. Eine Meinung, die Leben zerstören kann. Natürlich soll diese Ermittlungsarbeit "schlecht" sein und Ungerechtigkeit aufzeigen, dadurch wird die Lektüre nur leider für mich nicht erträglicher. Das ist auch nicht das Einzige, was mich daran stört. Vidar ist völlig verbissen in den Fall, aber denkt sich irgendeinen Unsinn aus, anstatt die Arbeit von Anfang an gründlich und gewissenhaft zu machen. Die großen Zeitsprünge im Buch bremsen die Handlung zusätzlich aus. Diese haben z.B. verhindert, dass ich mit Isak mitfühlen konnte, was dem Buch definitiv geholfen hätte. Und dann sind da natürlich die obligatorischen erotischen Szenen... Meiner Meinung nach hier unnötig prominent. Vidar wird dadurch auch nicht zugänglicher als Charakter. Unglücklicherweise finde ich es auch relativ durchsichtig, wie der Fall ausgeht, und konnte deshalb die gestreuten falschen Fährten nicht wirklich schätzen.

Alles in allem: Düster und öde. Ich wünschte, ich hätte das Buch nicht gelesen. Ich hätte nichts verloren.