Die Hälfte der Welt

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Drei Frauen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen treffen im Berlin des Jahres 1907 zufällig aufeinander. Die junge Studentin Lisa Meitner aus Wien, die Fabrikantentochter Hedwig und das mittellose Dienstmädchen Anni. Nachdem sich ihre Wege zunächst trennen, wird es die Berliner Humboldt Universität sein, die diese drei Frauen, die sich ihrem vorgezeichneten Weg nicht ergeben wollen, wieder zusammenführen wird.

Die Frauenrechte in Preußen am Anfang des 20. Jahrhunderts sind aus heutiger Sicht weit von Gleichberechtigung entfernt und auch die gängige Meinung sieht für eine Frau eher einen Platz im Haushalt als in einem Hörsaal vor. Eine offizielle Einschreibung in eine Universität ist den wenigen Frauen, die nur über Privatunterricht zum Abitur gelangen konnten, schlicht nicht gestattet. Lise, die in Wien bereits erfolgreich studierte und forschte erhält, wie Hedwig, als Gastzuhörerin lediglich Zugang zu vereinzelten Vorlesungen, sofern der zuständige Professor seine Einwilligung erteilt. Der verunsicherten Anni wird bei ihren neuen Dienstherren zudem ihre Klassenzugehörigkeit deutlich vor Augen geführt.

Ann-Sophie Kaiser zeichnet ein detailliertes Bild der Hauptstadt im frühen 20. Jahrhundert und die einfache Sprache ermöglicht dem Leser schnellen Zugang zum Roman. Die vereinzelt platzierten historischen Bezüge und Personen, wie der sich im Verlauf des Buches einstellende erste Weltkrieg mitsamt der deutlich spürbaren Kriegseuphorie dieser Zeit, der junge Albert Einstein oder nicht zuletzt auch Lisa Meitner selbst, erzeugen eine parallel verlaufende Handlungsebene die als chronologischer Fixpunkt dient.
Die drei Frauen nehmen unterschiedliche Positionen und Ansichten ein, deren Summe ein glaubwürdiges und nachvollziehbares Bild der Rolle, aber auch der Wünsche, einer Frau zu jener Zeit skizziert. Die Gespräche, die zwischen den Protagonistinnen stattfinden, haben dabei den Zweck, mögliche Fragen zu klären und Motivationen und Ziele zu verdeutlichen. Dieses Prinzip geht in den allermeisten Fällen auch gut auf und ermöglicht Zitate wie „Uns gehört die Hälfte dieser Welt und kein bisschen weniger“ und auch „Kann das Land wirklich auf die Hälfte seiner Charaktere verzichten?“.

Es ist eine Zeitperiode, die einige politische und gesellschaftliche Veränderungen verspricht und der Autorin ist mit diesem Buch ein ansprechender historischer Roman geglückt, der Prozesse und Motivationen glaubhaft und unterhaltsam darstellt.