Wenig kämpferisch

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
lese-esel Avatar

Von

Drei bildungshungrige, junge Frauen suchen im Berlin der Zwanziger Jahre ihren Weg. Obwohl alle drei sich zunächst fremd sind, freunden sie sich an, weil sie alle das erklärte Ziel haben, als Frau in den Genuss von Bildung zu kommen.
Die sehr verschiedenen Frauen bringen unterschiedliche gesellschaftliche und bildungstechnische Voraussetzungen mit.
Lise hat einen Uni-Abschluss in Physik und will in Berlin an der Uni weiterstudieren.
Hedwig ist verheiratet, erschleicht sich aber ein Semester an der Uni.
Anni arbeitet als Dienstmädchen, ist aber lernbegierig und extrem neugierig.
Alle drei geraten in den Sog des bildungspolitischen Wandels Berlins um 1910. Ganz unterschiedlich sind ihre Erlebnisse und ihr Umgang mit den Herren der Schöpfung, die sich zunächst vehement gegen Frauenbildung wehren.
Aber alle lassen sich nicht unterkriegen.
Der Schreibstil des Romans ist sehr erzählerisch, zuweilen langatmig und es dauert viele Seiten, bis die Handlung gravierend weitergebracht wird. Dann wird die Erzählung straffer, kommt aber über eine gewisse Langeweile nicht heraus, die sich aus den vielen Nebensächlichkeiten die Charaktere betreffend ergeben.
Die Frauen an sich haben unterschiedlich viel Biss und Temperament. Sie stecken die bisweilen diskriminierenden Bemerkungen und gesetzlichen Regelungen zwar weg, man hat als Leser jedoch nicht den Eindruck, das es ihnen besonders nahe geht. Das Kämpferische fehlt an so vielen Stellen. Vielfach ist wohlwollendes Handeln seitens freundlicher Männer vorteilhafter als aufsässiges Verhalten der Protagonistinnen.
Insgesamt hat mir das Buch mäßig gefallen. Da es aber mit interessanten Details und Wissensergänzungen zum Thema Radioaktivität aufwartet und historische Personen auftreten, kann der geneigte Leser etwas lernen.
Wer nach einem eher epischen Lesevergnügen sucht, das nebenbei gesellschaftspolitische Themen streift, ist mit diesem Roman gut bedacht.
Wer allerdings den Fokus auf Frauenrechte und den Kampf um Frauenbildung legt, wird von den drei Heldinnen enttäuscht werden.