Ein Buch - eine Versuchung.

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kaberke Avatar

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Das wichtigste zuerst: Meiner Meinung nach kann Kari Vanadis schreiben. Ich habe mich sofort in die Welt der Vicious und Wardens reingezogen gefühlt und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Die Handlung, stringent und spannend erzählt, entfaltet sich in einem angenehmen Tempo und blieb für mir durchwegs verständlich ohne mich mit zu viel oder zu wenig Informationen zu versorgen. Ich mochte die sprachlichen Bilder, die Kari verwendet hat und konnte mich durch die Sprache wunderbar auf die Geschichte einlassen.
Die Welt von Vanity Falls ist für mich eine Novität, die ich so noch nicht gelesen habe, die aber nicht besser für moralisch uneindeutige Charaktere sein könnte. Und vielleicht tritt auch deswegen der "Fantasyteil" der Geschichte nicht allzu dominant in den Vordergrund, weil es doch viel zu nachvollziehbar ist, dass Menschen nun mal nicht "Sinner" oder "Saints" sind, sondern es beide Pole braucht. Auf jeden Fall mal etwas anderes als "Fae" oder "Drachenreiter" oder "Vampire" - und auf jeden Fall keineswegs schlechter.
Mit Rahel ist eine wunderbare Protagonistin entstanden: eine starke Frau, die für sich eintritt, ihre Fehler im Blick hat und zur Abwechslung "mal nicht gerettet" werden muss. Und auch Asher finde ich sehr gut gelungen - ein Mann, der reflektiert, der ebenfalls Verletzlichkeiten hat und versucht diese zuzulassen. Ich mochte den langsamen Beziehungsaufbau zwischen den beiden, der sich für mich sehr organisch angefühlt hat. Und auch die intimen Szenen fand ich sehr angenehm lesbar und authentisch geschrieben- was ich für Romantasy oft nicht empfinde. Chapeau.
Was mir besonders gefallen hat, war die subtil eingebaute Internationalität der Charaktere, der Realitätsbezug zur Welt und die angedeutete politische Verwebung, auf die hoffentlich in Teil 2 noch ausführlicher Bezug genommen wird.
Die Wendungen kamen für mich oft nicht "überraschend", das hat es aber auch nicht gebraucht. Der Schreibstil, Handlungsaufbau und Spannungsbogen haben das meiner Meinung gar nicht gebraucht.
Das einzige Gemeine an dem Buch: Der Cliffhanger am Ende - wie soll ich nur bis zum Sommer warten? ;)
Am Ende bleibt die Frage stehen: Wer ist gut, wer ist böse? Und ergibt diese Einteilung eigentlich Sinn oder ist vielmehr die Frage nach der "richtigen Mischung"/der Balance zwischen den Polen, die wir doch alle in uns vereinen? Wäre ein Leben nur mit "Demut" oder nur mit "Hochmut" lebenswert?
Ich bin gespannt auf Teil 2 und würde das Buch auf jeden Fall jedem*r empfehlen, der/die sich gerne auf eine neue, nicht allzu "Fantasy"-behaftete Welt einlassen möchte, sich gerne mit - wirklich gut geschriebenen - "morally grey" Charakteren befasst und sich für eine Mischung aus "dark academia", "enemys to lovers" und "strong female character" interessiert.