Harmloser Thriller

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r.e.r. Avatar

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Jaqueline Adam steht vor einem Rätsel. Kleinigkeiten des Alltags werden für sie zu unlösbaren Rätseln. Sie steigt im siebten statt im achten Stockwerk aus und wundert sich wo ihr Büro geblieben ist. Sie macht ihrer Sekretärin ein Kompliment für die neue Frisur, die diese schon seit zwei Wochen trägt. Immer öfter wird sie von schrecklichen Kopfschmerzen geplagt. Als sie eines Abends ihrem Mann von einem Einkaufsbummel mit ihrer Mutter berichtet, rät dieser ihr einen Arzt zu konsultieren, denn Jaquelines Mutter ist bereits seit zwei Jahren tot.

In der psychiatrischen Klinik Friedrich Bonhoeffer behandelt Dr. Rakowski eine Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat. Er wird dabei von Kriminalkommissar Manthey schwer unter Druck gesetzt. Es geht um ein entführtes Kind. Und je eher sich die Frau erinnert, wohin sie den Jungen gebracht hat desto größer die Chancen das er überlebt.

Es dauert eine Weile bis man erkennt das es Jaqueline ist, die in dem Krankenbett liegt und das ein Großteil der bisherigen Handlung nur ihrem desorientierten Verstand entsprungen ist. Jaqueline ist eigentlich mit einem alkoholabhängigen arbeitslosen Bauarbeiter verheiratet, der in einer gewalttätigen Attacke aus Versehen den gemeinsamen Sohn erstochen hat. Sie trifft zufällig ihre Jugendliebe René wieder und träumt sich aus seelischer Verzweiflung in dessen harmonisches und erfolgreiches Leben. Sie projiziert in ihrer Phantasie die Rolle seiner Frau Paula auf sich und entführt in der Realität den Sohn der beiden um René wieder für sich zu gewinnen.

Siegfried Langers Roman ist sprachlich unkompliziert, die Handlung aber zunächst verwirrend. Etwa ab Mitte des Buches weiß man worum es geht und kann auch den zeitlichen Sprüngen problemlos folgen. Langer berichtet aus Jaquelines Sicht in der Ich-Form. Einen zweiten Erzählstrang nennt er “vor der Katharsis”. Diesen versieht er mit Zeitangaben und wechselt darin die Perspektiven. Mal wird aus der Sicht des Kommissars berichtet, mal aus der Sicht des Psychiaters, mal aus der Sicht von Jaqueline die in diesem Fall als namenlose Patientin agiert. Was die Katharsis, also die seelische Läuterung, am Ende sein soll hat sich mir nicht erschlossen.

Man kann “Vater, Mutter, Tod” schnell herunterlesen. Es ist ein eher harmloser Psychothriller. Um wirklichen Nervenkitzel zu erzeugen ist die Handlung nicht spannend und temporeich genug. Die Figuren sind zudem sehr oberflächlich angelegt. Langer verzichtet weitgehend auf einen persönlichen Hintergrund seiner Protagonisten. Mit den Informationen die man bekommt, kann man sich kein wirkliches Bild machen, sich nicht richtig einfühlen. Das ist enttäuschend.

Den Prolog würde ich gar als ärgerlich bezeichnen. Die Frau von Kommissar Manthey hat seit November 1989 stumm auf dem Wohnzimmersofa gesessen und den frühen Tod der gemeinsamen Tochter betrauert. Als ihr Mann den Ausgang des aktuellen Falles schildert, spricht sie zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder, steht mit glänzenden Augen auf und will mit ihm das KaDeWe sehen. Da ist dann die Grenze zur schalen Geschmacklosigkeit schon gefährlich nahe.