Klare Leseempfehlung!

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meggie3 Avatar

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Arda liegt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Krankenhaus und muss hoffen, dass die Ärzt*innen mit den unterschiedlichen Therapieansätzen Erfolg haben. Seine Mutter und Schwester Aylin besuchen ihn abwechselnd und erzählen jeweils ihre Geschichte. Geschichten, die Arda helfen, zu verstehen. Gemeinsam besuchen sie ihn nie – zu tief sind die Verletzungen und Gräben, die Arda und die Leser*innen mehr und mehr nachvollziehen können. Andere Passagen sind Ardas Erinnerungen an sein Aufwachsen, seine Kindheit und Jugend, den Dönerladen, seine Freunde und das Gymnasium, das Warten auf Amtsfluren und die große Schwester, die alles für ihren kleinen Bruder gibt. Seine Vaterlosigkeit und die Frage nach dem wieso ist allgegenwärtig, auch dadurch, dass er seinen Vater zum Teil direkt anspricht.

Obwohl der Roman vor dem Hintergrund der lebensbedrohlichen Situation von Arda spielt, habe ich die Atmosphäre als überhaupt nicht bedrückend empfunden. Necati Öziri beschreibt das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten so unaufgeregt, dass ich ihm und seiner Sprache einfach gerne gefolgt bin. Wenn er erschütternde Erlebnisse und Ungerechtigkeiten beschreibt, tut er dies nicht anklagend, sondern als Tatsachenbericht, jedoch nicht ohne den Leser*innen ins Gedächtnis zu rufen, dass es um „echte“ Menschen mit Gefühlen geht. Gerade das hat den Roman für mich so berührend gemacht. Der Roman wirft Fragen auf, lässt einen zum Teil fassungslos zurück. Die Sprache lässt sich sehr gut lesen, ich habe Necati Öziris Schreibstil als sehr passend und oft einfach schön empfunden. Gleichzeitig habe ich als Leserin einiges über die soziale und politische Situation in der Türkei und in Deutschland erfahren, was mir so nicht klar war bzw. was ich mir kaum vorstellen konnte.

Wer sich auf diesen schönen, berührenden und gleichzeitig erschütternden Roman einlassen mag, dem wird „Vatermal“ hoffentlich genauso gut gefallen wie mir.