Erinnerungen an den Vater

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Nachdem Monika Helfer in “Die Bagage” über die Herkunftsfamilie ihrer Mutter schreibt, widmet sie sich in “Vati” nun dem eigenen Vater. Dieser stammt genauso wie ihre Mutter aus einer armen Familie, hat sich durch Fleiß und Intelligenz einen Platz an einem Gymnasium erarbeitet. Doch der Krieg macht ihn zum Invaliden, was Monika und ihren Geschwistern eine Kindheit in einem Kriegsopferversehrtenheim beschert, dessen Verwalter der Vater wird.

Die Beziehung zum Vater, der sich “Vati” nennen lässt, weil er es für modern hält, ist geprägt von kühler Distanz. Der Vater ist schweigsam und lebt vor allem für seine Bücher. Diese sind es auch, die Monika einen gewissen Zugang zu ihrem Vater geben, vielleicht auch Verständnis.

Die Erinnerungserzählung Helfers stützt sich auf eigene Kindheitserinnerungen, die von der Idylle auf der Tschengla geprägt sind, ergänzt mit den Erinnerungen der Schwestern, Stiefmutter und Tanten mütterlicherseits. So wird, wer “Die Bagage” gelesen hat, natürlich auch einige Familienmitglieder mütterlicherseits wiedertreffen und vielleicht auch noch mal in einem anderen Licht sehen. So distanziert die Familie untereinander oft wirkt, desto berührender ist es, wenn bei Schicksalsschlägen alle zusammen kommen, zusammen stehen und auch den Vater in die Mitte nehmen.

Bemerkenswert ist Monika Helfers verdichtete Sprache, die anrührt und mit wenigen Worten viel ausdrücken vermag. Die Zeitsprünge, das Aneinanderheften von Erinnerungen empfand ich dieses Mal nicht als so sehr verwirrend. Vielmehr fühlte es sich wie ein Gespräch an, eine Erzählung auf dem Sofa, bei dem die Erzählerin nicht unterbrochen wird, sondern ihren eigenen Gedanken nachgehen und erzählen kann. Helfer verwebt dabei echte Erinnerungen mit Fantasie, füllt Lücken und lässt ein Bild ihres Vatis und ihrer ganzen Bagage entstehen, das stimmig scheint und nachwirkt.

© Tintenhain