Wer ist Vati?

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Vati – wer ist das eigentlich? In ihrem neuen Buch macht sich Monika Helfer auf die Suche nach dem Wesen des Mannes, der ihr Vater war, und entdeckt dabei auch zahlreiche Erinnerungen an sich selbst.

Der Roman ist eine sehr intensive und berührende Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und Vergangenheit, mit schmerzlichen Begebenheiten, Episoden liebevoller Zuneigung und Phasen der Vernachlässigung, die es gibt, weil Erwachsene und Väter eben auch nur Menschen sind. So begibt sich die Autorin mittels Erinnerungsfragmenten, mal chronologisch, mal in eingeschobenen Exkursen, auf die Reise in ihre sehr jungen Jahre, zu Beginn gar in die Zeit bevor sie geboren wurde. Stets ist sie dem Mensch Vati auf der Spur, aber so ganz gelingt die Annäherung und Auseinandersetzung mit ihm nicht. Dies soll sie auch gar nicht, im Gegenteil, denn Vati (und vielleicht alle Eltern) bleiben durch ihre Rolle im Leben immer auch leicht unnahbar, vage und verschwommen – so wie das sehr passende Cover des Buchs. Ganz folgerichtig setzt sich Monika Helfer vielleicht auch deshalb mit dem Umstand auseinander, dass man als Kind gar nicht unbedingt alles über seine Eltern wissen oder diese verstehen möchte.

Der Roman hat – wie bereits angedeutet – keinen durchweg klaren, linearen Handlungsverlauf, sondern reiht prägende Erlebnisse aneinander, sodass zumindest auch in einem Teil des Buchs Vati völlig aus dem Fokus und der Erzählung verschwindet. Trotz dieser gewissen Handlungsarmut ist das Buch eine faszinierende und gelungene Lektüre, da Monika Helfer einen sehr eigenen, besonderen Schreibstil pflegt, der den Leser oft ins Herz trifft.
Aus einer Reflexion über alltägliche Geschehnisse wird kann so sprachlich ein Ereignis werden. Auch gelingt es der Autorin immer wieder, sich detailliert und authentisch in das erlebende Ich einzufühlen. Sollte ich den Roman ausschließlich an seinem letzten Satz messen, dann würde er ohne Zweifel ganz weit vorn unter meinen unvergesslichen Büchern rangieren. Ganz ehrlich: so schreibt man letzte Sätze – denn nur selten habe ich an dieser Stelle etwas Passenderes gelesen. (Bitte jetzt auf keinen Fall den Satz ohne Kontext lesen!)

Für mich ein gelungenes, nachdenkliches Lesevergnügen. Anspruchsvoll, ehrlich, wertig.