Neuer spannender Fall für Luca Brassoni

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marionhh Avatar

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Luca Brassoni, Kommissar in seiner Heimatstadt Venedig, stößt bei einem Spaziergang mit seiner Lebensgefährtin, Gerichtsmedizinerin Carla, auf eine junge verwahrloste Frau, die offensichtlich verletzt und verwirrt ist und Angst hat. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass sie ein traumatisches Erlebnis gehabt haben muss und deshalb an Amnesie leidet. Für Brassoni ist klar, dass dahinter mehr steckt und schnell bringen er und seine Kollegen sie in Zusammenhang mit alten Fällen von vermissten jungen Frauen, die alle jung, hübsch und blond sind. Brassoni und sein Team beginnen mit der ihnen eigenen Hartnäckigkeit zu ermitteln, und kurz darauf gibt es weitere Opfer. Trotz einiger Verwirrungen privater Natur rollt Brassoni die alten Vermisstenfälle, die anscheinend ad acta gelegt wurden, neu auf und entdeckt Parallelen mit seiner Verletzten, und nach und nach kommen immer mehr grausige Details ans Licht...

Dritter Fall für den sympathischen Commissario aus Venedig, ein klassischer "whodunnit"-Krimi mit viel venezianischem Lokalkolorit. Der Schreibstil ist eingängig und nicht allzu anspruchsvoll, die Geschichte jedoch ist, eingebettet in Prolog und Epilog, solide konstruiert und spannend, und die interessanten Hauptfiguren tun ihr übriges, dass man den Krimi in einem Rutsch durchlesen kann. Geschickt und überzeugend baut die Autorin Spannung und Charaktere auf. Besonders durch die Perspektivwechsel, bei welchen sowohl aus Täter- als auch aus Opfersicht erzählt wird, wird zusätzliche Spannung erzeugt, der Leser weiß so teilweise immer ein bisschen mehr als die Ermittler und leidet dadurch noch mehr mit den Opfern mit. Es gibt, wie beim klassischen Krimi üblich, mehrere Verdächtige, die von den Ermittlern befragt und abgeklopft werden, und zum Schluss spitzt sich die Lage für einen immer mehr zu. Obwohl die Aufdeckung des Täters für den aufmerksamen Leser nicht allzu überraschend kommen dürfte, bleibt die Geschichte spannend und kulminiert schließlich in einem recht aufregenden Finale.

Das Buch lebt jedoch nicht nur vom Fall, sondern in meinen Augen noch mehr vom venezianischen Hintergrund und den Charakeren, allen voran Commisario Brassoni und dem Täter. Brassoni ist ein hochintelligenter Mann, der seine Stadt liebt und sich unbestechlich und hartnäckig in seine Fälle verbeißt und nicht aufgibt, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist. Seinem Privatleben wird ebenfalls ein hoher Stellenwert eingeräumt, seine erotische Vergangenheit holt ihn ein, seine Eltern machen ihm Sorgen und er fragt sich oft, wie seine Beziehung zu Carla weitergeht. Ich muss zugeben, dass mir generell das amuröse Hin und Her in der Geschichte teilweise etwas zuviel wurde. Hier ist sicherlich der Leser im Vorteil, der die vorangegangenen Bände gelesen hat und über die Geschehnisse in Brassonis Leben im Bilde ist, denn diese spielen doch oft in die eigentliche Geschichte mit hinein. Gut fand ich, dass Brassoni über den Ermittlungen sogar seine privaten Verwicklungen vergessen kann und sich und sein Team - und damit auch die Leserschaft - wieder auf den rechten Pfad der Tugend zurückbringt.

Ein weiterer interessanter Charakter ist Brassonis Cousin und Freund Stefan Meyer, ein Journalist, der ihn tatkräftig bei seinen Ermittlungen unterstützt und sich dabei mehr als einmal in brenzlige Situationen bringt. Ihn hätte ich gerne mehr Raum einnehmen sehen, aber zu meinem großen Vergnügen trägt er einen großen Teil zur Aufklärung bei. Die anderen Figuren werden nicht ganz so ausführlich beschrieben, bis auf Brassonis Kollege Goldini und Carla bleiben doch alle anderen zwar sympathische, aber unspektakuläre Nebenparts. Den Charakter des Täters fand ich psychologisch hochinteressant und er wird phasenweise sehr treffend von Carla analysiert. Näher eingegangen auf seine Psyche wird aber nicht, dafür ist es eben auch kein Psychothriller.

Ein bisschen sauer aufgestoßen sind mir zum Einen die häufigen Wiederholungen einzelner Inhalte, zum Beispiel dass Stefan Meyer Caruso genannt wird oder dass Carla solch einen hervorragenden Ruf hat. Der versierte Krimileser merkt sich Einzelheiten, auch wenn sie für den Fall nicht relevant sind. Zum Anderen fand ich auch die übergangslosen Perspektwechsel ohne Absatz etwas merkwürdig, das mag aber am Ebook-Format liegen. Die Details über die Stadt Venedig fand ich interessant, auch wenn diese ebenfalls reine Nebensache sind. Mir schien die eine oder andere Beschreibung ein bisschen als Lückenfüller zu dienen, was dazu führte, dass ich über manches schnell hinweg gelesen habe, um wieder zur eigentlichen Geschichte zurückkehren zu können. Das Ebook liefert übrigens außerdem eine schöne Leseprobe des zweiten Falles und stellt einige ähnlich geartete Bücher vor, was für Krimifans und Einsteiger ins Genre gleichermaßen interessant sein dürfte.
 
Fazit: Ein durchaus fesselnder dritter Fall für den venezianischen Commisario. Nicht die sprachliche Offenbarung, aber aufgrund der sympathischen Hauptfiguren und der guten Beschreibungen aus Täter- und Opfersicht spannend und packend bis zum Schluss. Wer mit diesem Buch einsteigt und keine Vorkenntnisse hat, kommt trotzdem sehr gut in die Geschichte hinein und bekommt eine solide klassische Detektivgeschichte geliefert. Mir machte das Ganze schon allein wegen der Figuren viel Lust, die Vorgängerbände ebenfalls zu lesen. Die Geschichte liefert solide Unterhaltung ohne Nebenwirkungen.