Die Revoluzzer-Nonne hätte eine revolutionäre Handlung gebraucht

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angie99 Avatar

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Schwester Holiday ist ein schriller und prägnanter Charakter, der es in sich hat. Ausgestattet mit einer wilden, queeren und vorbelasteten Vergangenheit wurde sie vor einem Jahr von den drei „Schwestern vom Erhabenen Blut“ aufgenommen, einem kleinen Konvent in New Orleans, wo sie seither als Gitarrenlehrerin an der katholischen Schule arbeitet.
Als es in der Schule ein Brand ausbricht, bei dem einer der Hausmeister sein Leben lässt, sieht Schwester Holiday sich dazu verpflichtet, selbst Ermittlungen anzustellen. – Tja, und wenn wir schon bei „anstellen“ sind, sie stellt sich dabei nicht allzu geschickt oder clever an.
Allerdings ist dieses Auf-der-Stelle-treten auch dem Fall an sich geschuldet: die herbeigerufenen Polizei stellt sich dümmer an als die Polizei erlaubt, verdächtig sind prinzipiell alle und damit wiederum niemand, es gibt so gut wie keine Hinweise oder Spuren (außer einem Handschuh, den man nicht ernst nehmen kann) und Motive schon gleich gar nicht, dafür irgendwann einen zweiten und dritten Brand, bei dem es genauso wenig nachzuforschen gibt.
Auf dieser Ebene ist dieses als Krimi bezeichnete Buch deshalb ein wahrer Reinfall. Es macht einfach keinen Spaß, sogenannte Ermittlungen zu verfolgen, die nicht die leisesten Ergebnisse liefern und einen nicht wenigstens ein bisschen mitraten lassen. Selbstredend ist denn auch die Auflösung arg platt geraten und viel mehr Bruder Zufall als Schwester Holidays Spürsinn zu verdanken.

Dann der Schreibstil, auch der ist gewöhnungsbedürftig. Anfangs sehr wortgewaltig, doch mitunter mit eher seltsam aufgeblasen oder verknotet wirkendenden Sätzen, was allerdings auch an einer nicht so gelungenen Übersetzung liegen kann.
Schön atmosphärisch eingefangen sind die Beschreibungen der Stadt New Orleans und die allzeit herrschende Hitze, die sogar dann herrscht, wenn es mal nicht brennt.
Außerdem ist die Figurenzeichnung einiger doch etwas spezieller Charaktere gut geraten, das schlägt sich in einigen bissigen und witzigen Dialogen nieder.

Überraschend tiefgründig ist die Hauptperson Schwester Holiday angelegt. Ich hatte ehrlich gesagt mit einem Abklatsch von „Sister Act“ gerechnet, doch im Gegensatz zu Deloris ist sie ganz freiwillig ins Kloster eingetreten – und warum, das erfährt man in (teilweise etwas zu ausführlichen) Rückblenden. Mit ihren radikalen und zugleich fundierten Ansichten, wie Kirche mit Feminismus und Queerness zusammengeht, hat sie mich somit eher an das lebende Vorbild Nadia Bolz-Weber erinnert. Natürlich gibt es in einem fiktiven Buch Überspitzungen, aber es sind einige wirklich nachdenkenswerte Ausführungen zu Kirche, Glaube und Spiritualität darunter. Nachhaltig beeindruckt hat mich der Satz: „Wenn Strafe binär ist, ist Vergebung queer…“ (S. 51)
Ich hatte den Eindruck, dass hier auch das eigentliche Interesse der Autorin liegt und dass sie nur um der Publikumswirksamkeit willen einen Krimi geschrieben hat. Schade, dass dieser Schuss nach hinten los ging; mir hat der spannungslose, nicht schlüssige Fall die Lektüre versaut.
Ohne der vielversprechenden Hauptfigur eine Detektivrolle aufnötigen zu wollen, die absolut nicht überzeugt, wäre wahrscheinlich ein besseres Buch draus geworden.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die tolle Aufmachung des Buches: nicht nur ein richtiger Hingucker und sehr passend zur Story, sondern in Echt noch mit Prägung! Sowohl optisch als auch haptisch top und für mich wahrscheinlich DAS Cover 2024!