Countdown zum Chaos

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la calavera catrina Avatar

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Der schwedische Autor Alex Schulman erzählt auf literarisch wunderbare Weise seine tragisch intensive Familiengeschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, über eine unglückliche Liebe, die das Gefühl der Wut wie ein Gift über Generationen weitergab und Erinnerungen der Furcht und der Reue hinterließ.

Als hochrangiger schwedischer Schriftsteller ist Sven Stolpe ein wandelnder Mythos und unangenehmer Zeitgenosse, vor dessen Wutausbrüche man immer auf der Hut sein musste. Sein Enkel und Ich-Erzähler Alex Schulman sieht nährende Katastrophen voraus und lernt, ihnen rechtzeitig auszuweichen. Diesen Radar hat Alex perfektioniert - nur seine eigene Wut, die sieht er nicht kommen. Um seine Ehe und die Beziehung zu seiner Kindern zu retten, geht er seiner Wutgeschichte auf den Grund und recherchiert über sein Großvater. Er will die Vergangenheit nicht über sein Leben bestimmen lassen und verstehen, was in ihm weiterlebt. Fakten und Erinnerungen vermischen sich. Es sind kindliche Erinnerungen an eine lieblose Beziehung der Großeltern, die erst jetzt einen Sinn ergeben. Zahlreiche Tagebucheinträge von Sven Stolpe und weitere Briefe von seiner Großmutter und ihrem Geliebten wertet Alex aus, um der Spur der Wahrheit zu folgen. Stolpe war ein Mann, der sein Dasein als Gefängnis empfand, alles niederschrieb, aber ungewöhnliche Wage blieb, als es um den Sommer 1932 ging, als eine geheime Liebe seine alten Wunden aufriss, von denen niemand erfahren durfte.

Schulman schafft es, dass man diese Familienbiografie mit Spannung liest, in der es um tiefgreifende Gefühle wie Wut, Untreue und Einsamkeit geht. Die Rolle der Frau ist prägend. Die demütigende Gefangenschaft der Großmutter geht einem zu Herzen. Trotz distanzierter Erzählweise, aus der Sicht des Enkels und dessen Recherchen, berührt diese Geschichte auf intensive Art. Die Liebesgeschichte zwischen Karin und Olof ist spürbar besonders und die Folgen jeder Entscheidung, die getroffen wird, wiegen schwer. Lebendig wechselt Schulman zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Bildhaft zeichnet er erzählerisch ein Porträt des aufbrausenden mitunter boshaften Großvaters und erfasst sanft persönliche Szenen, die ganz für sich selbst sprechen. Nach "Die Überlebenden" hat mir "Verbrenn all meine Briefe" sehr gefallen. Es ist der besonders sanfte Schreibstil, der mich immer wieder begeistert und der aufmerksame Blick auf das Leben und die Vergangenheit. Sehr empfehlenswerter Roman.