Ein Familienschicksal, das nicht mehr loslässt

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„Sven wird verlangen, dass Du ihm all meine Briefe zeigst. Jetzt möchte ich Dich bitten: Verbrenn sie, um Gottes Willen! Und verrate mich nicht. Mein Leben hängt davon ab. Und deines ebenfalls.“ (S. 273)

Beziehungen in Autor Alex Schulmans Familie sind von einer seltsamen Dysfunktionalität gezeichnet. Eine tiefe Wut entzweit Geschwister, Paare, Eltern und Kinder. Als die – dem Anschein nach vererbte – Wut ihre Finger nach der Ehe des Autors auszustrecken beginnt, macht sich Schulman auf die Suche nach ihrem Kern. Er stößt auf eine schicksalhafte Begegnung im Sommer 1932. Eine zart aufflammende, bald leidenschaftliche Liebe. Eine grausame Dreiecksgeschichte, die das Leben mehrere Generationen seiner Familie prägt.

Es ist die Geschichte von Schulmans Großmutter Karin, die sich in den Schriftsteller Olof Lagercrantz verliebte. Kein Mensch wird gerne betrogen – vor allem jedoch nicht Sven Stolpe, ihr unnahbarer Ehemann, ein gefeierter Autor und ausgeprägter Narzisst. Scheidung ist für ihn die vorletzte Option, Vergebung die letzte. Weiter vorne stehen: lebenslanger Hass, Feindschaft, Demütigung, versuchter Mord.

Schulman erzählt die dramatische Liebesgeschichte und ihre Folgen anhand der Briefe und Tagebucheinträge Karins und Olofs sowie seiner eigenen Kindheitserinnerungen an die Großeltern. Karins Schicksal fesselt und hat mich durch die Seiten fliegen lassen wie bei einem guten Krimi. „Verbrenn all meine Briefe“ ist ein kluger Roman über familiäre Konflikte, die sich wie ein Schwelbrand über Generationen hinweg ausbreiten können. Ich hatte mir allerdings aufgrund des Klappentextes erwartet, dass der Bezug zur Gegenwart, das Erkennen und Ausbrechen aus den toxischen Mustern, mehr Raum im Buch erhält. Die Geschichte von Karin, Sven und Olof steht jedoch klar im Vordergrund.

Ich empfehle „Verbrenn all meine Briefe“ sehr gerne weiter und möchte unbedingt auch den anderen Roman des Autors lesen.