Generationsübergreifendes Trauma

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griseldis2000 Avatar

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Bereits in „Die Überlebenden“ hat der Autor sich autobiographisch mit dem Thema Traumavererbung beschäftigt. Darin ging es um Geschwister, die sich dem prägenden Einfluss ihrer traumatisierten Eltern nicht entziehen können und unbewusst fortführen, was sie erlitten haben. Diesmal holt er noch weiter aus. Die tief sitzende Wut des Protagonisten Alex wird auf die tragische Haß-Liebe der Großeltern zurückgeführt. Der Autor hat aus Briefen, Artikeln und Tagebüchern einen Roman gezaubert, der von hoffnungsloser Liebe und von einer toxischen Ehe erzählt. Die Erinnerungen an Aufenthalte im Hause seiner Großeltern erscheinen ihm nach seinen umfangreichen Recherchen plötzlich in neuem Licht. Kann es sein, dass ein uraltes Kindheitstrauma im Leben des Großvaters Sven Stolpe schuld ist an so viel noch immer bestehendem Leid? Müssen Alex‘ Kinder im heutigen Leben an dieser vererbten Wut leiden? Steht deswegen sogar seine eigene Ehe in Gefahr? Sich all dies bewusst zu machen kann Heilung bringen. Oder nicht?
Die Frage steht ganz am Ende, wird aber nicht beantwortet.
Wieder ist Alex Schulman ein bewegender und dichter Roman gelungen.
Ich kann nicht sagen, dass es eine Freude war, ihn zu lesen, denn dazu hat es mich zu betroffen und traurig gemacht. Aber die Wahrhaftigkeit und die Ehrlichkeit, der Wunsch nach Erlösung haben mich tief berührt. Das ist echte Literatur. Die autobiographische Geschichte wird zur Universellen.
Die Sprache ist verdichtet. Ich bin dem Autor dankbar, dass er keine 600 Seiten daraus gemacht hat, sondern die Essenz auf 300 komprimierten Seiten eingedampft hat.