Vererbte Wut

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Der schwedische Autor Alex Schulman möchte seiner unterschwellig vorhandenen, immer wieder aufwallenden Wut, für die er keine rationale Erklärung findet, auf die Spur kommen – und deckt Stück für Stück eine tragische Liebesgeschichte, die sich in seiner Familie abgespielt hat, auf.
Im Sommer 1932 lernt Karin Stolpe, Ehefrau des bekannten Autors Sven Stolpe, den jungen angehenden Schriftsteller Olof Lagercrantz kennen. Sie verlieben sich heftig ineinander und Karin ist kurz davor, Sven zu verlassen. Mittels psychischer und physischer Grausamkeiten kann dieser jedoch das für ihn Unaussprechliche, nämlich eine Trennung, verhindern und Karin bricht den Kontakt zu Olof ab.
1988: Der zwölfjährige Alex, Enkel von Sven und Karin, findet in Karins Schrank ein Bündel Briefe; es sind die Liebesbriefe von Olof, die Karin entgegen aller Behauptungen aufbewahrt hat. Als Sven dies mitbekommt, werden alte Wunden aufgerissen und ein blinder Hass, der für die Familie schon davor immer wieder sichtbar war, kommt zum Vorschein.
Gefühlvoll, differenziert und – vor allem seinem Großvater gegenüber – auch schonungslos zeichnet Alex Schulman ein Bild dieser toxischen Verhältnisse. Er begibt sich auf die Spuren einer dramatischen Liebesgeschichte, möchte genau verstehen, wie dies seine Familie nachhaltig beeinflusst hat. Immer wieder springt er zwischen den Zeiten und gerade das macht den Roman spannend bis zum Schluss. Er versucht sowohl für die Großmutter als auch für den Großvater Verständnis aufzubringen, wobei er am Schluss des Buches relativ hart mit Sven Stolpe ins Gericht geht. Er schreibt aber auch, dass er diese Beschäftigung mit der dunklen Seite seiner Familie als Chance sieht, es besser zu machen, und genau diese Aussage macht das Ende so stimmig und für mich das Buch zu einer wertvollen Lektüre.
Traurig, tragisch, toxisch – so negativ diese dramatische Liebesgeschichte auch sein mag, hat sie mir doch am Schluss gezeigt, dass es von großer menschlicher Kraft und einem gewissen Mut zeugt, diese Umstände auszuhalten. Was aber natürlich nicht die unglaublich toxische Beziehung und das Mittragen der Wut in die nachkommenden Generationen relativieren soll.
Ich habe das Buch wahnsinnig gerne gelesen, es gehört definitiv zu meinen Jahreshighlights. Eine kraftvolle Geschichte, die entgegen aller Grausamkeiten auch einen Funken Hoffnung in sich trägt.