WOW! Erfreifende Familiengeschichte

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elfe1110 Avatar

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Wow! Dieser Roman hat mich emotional sehr berührt und gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite.

Erzählt wird auf drei Zeitebenen: Im Hier und Jetzt spürt Alex eine ständige Wut in sich, die er sich nicht erklären kann und die zunehmend für seine Familie zur Zerreißprobe wird. Nach einer aufschlussreichen Familienaufstellung begibt er sich auf Spurensuche.

1988 ist der kleine Alex zu Besuch bei seinen Großeltern Karin und Sven. Die Oma umsorgt ihn zärtlich zurückhaltend und mit viel Liebe und Fürsorge, der Opa ist eher kühl und sachlich. Immer wieder wird der Junge Zeuge von verbalen Entgleisungen des Großvaters, die er – damals - nicht einzuordnen weiß.

1932 ist die junge Karin mit dem erfolgreichen und bekannten Schriftsteller Sven Stolpe verheiratet als sie sich während eines Stipendiats in den jungen Olof Lagercrantz verliebt und eine gemeinsame Zukunft mit ihm plant.

Alex Schulman beschreibt in seiner bereits 2018 in Schweden erschienenen autofiktionalen Familiengeschichte sehr eindrucksvoll, wie Wut und Enttäuschung über Generationen hinweg Beziehungen und Familien belasten kann. Seine Sprache ist unglaublich intensiv, dicht und schonungslos.

Im Fokus steht dabei Karin, die über Jahrzehnte im Schatten ihres Mannes stand, von ihm malträtiert, gegängelt und „klein und still“ gehalten wurde. Ihr gibt Schulman hier nun eine Stimme und lässt ihre Geschichte und ihre Emotionen lebendig werden. Eine liebevolle, ruhige und zurückhaltende Frau, die vielleicht von ihrem Ehemann „gebrochen“ wurde, dennoch gleichzeitig stark und auf ihre Art irgendwie „unbesiegt“ wirkt. Dem gegenüber die aggressive und dominante Figur des Sven Stolpe. Erschreckend, wie selbst die Sprache Schulmans dies umsetzt. „Für Sven Stolpe ist alles ein Krieg“. Und so sieht er sich als Opfer eines sexuellen Attentats, der Kämpfe gegen seine Feinde führt und von Hass, Narzissmus und Wahnvorstellungen zerfressen ist. Diese Sprache tut weh, entsetzt und erschüttert, wenn sie sich zu oft gegen Karin richtet.

Wäre da nicht die Liebe zu Olof, ich hätte das Buch u.U. nicht beenden können. Olof aber ist „ausgeknockt vor Liebe“ zu Karin, und auch dies ist sprachlich so wunderschön und gegensätzlich zu aller Wut in diesem Roman umgesetzt, dass man nur weiterlesen kann und will.