Wut und Schmerz

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poisonalice Avatar

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Als ich die Ankündigung für den neuen Roman von Alex Schulman gesehen habe, war ich zuerst begeistert und dann unentschlossen. Der erste ins Deutsche übersetzte Roman („Die Überlebenden“) von ihm im letzten Jahr hatte mich nachhaltig beeindruckt und zugleich verstört. Trotzdem habe ich „Verbrenn all meine Briefe“ gelesen.

In aller Kürze zur Handlung: Der Ich-Erzähler hat eine unerklärbare Wut in sich, welche nach und nach sein Leben bestimmt. Seiner Vermutung, dass die Ursprünge dafür in der Geschichte seiner Familie mütterlicherseits liegen könnten, geht er nach, indem er sich mit dem Leben seiner Großeltern auseinandersetzt. Sein Großvater der berühmte Schriftsteller Sven Stolpe und seine Frau Karin spielen dabei die Hauptrolle des Buches. Was geschah im Sommer 1932 und welche Rolle spielte Olof Lagercrantz dabei?

Wieder hat mich der Autor mit seiner unglaublich mitreißenden, tiefgründigen aber auch verstörenden Geschichte in seinen Bann gezogen. Die Geschichte von Sven, Karin und Olof liest sich zwar nicht durchgehend flüssig, hat aber eine ungeheure Sogwirkung. Die Figuren bleiben wieder etwas nebulös. Erst nach und nach entfaltet sich die komplexe Geschichte um Wut, Eifersucht, unerfüllte Liebe und psychische Gewalt mit einer gewaltigen Wucht. Die atmosphärisch dichte, wort- und bildgewaltige Sprache zog mich von der ersten Seite an in ihren Bann. Die Wut, der Schmerz und die Tragik der Geschichte sind nahezu greif- und spürbar. Ich habe mit Olof, aber vor allem mit Karin gelitten. Ihr lebenslanges Martyrium war für mich oft schwer auszuhalten.

Durch die Einschübe der Tagebuchseiten von Olof Lagercrantz wurde die Handlung für mich noch realer. Überhaupt empfand ich das Buch als mehr als nur einen Roman, eher wie eine Autobiographie. Mich würde doch schon sehr interessieren wieviel der Geschichte wirklich wahr ist. Sicher kann man mit den bekannten Suchmaschinen im Internet über das Leben von Sven Stolpe und Olof Lagercrantz recherchieren, aber wieviel Realität im Buch steckt, weiß nur der Autor selbst. Sehr großen Respekt habe ich deshalb vor dem Autor, welcher in diesem Buch wieder einen Teil seiner Familiengeschichte aufgearbeitet und offenbart hat. Man merkt wie persönlich dieses Buch für ihn ist.

Sehr gut gefallen hat mir auch das Buchcover, welches in Farb- und Bildgestaltung zum vorherigen Buch passt.

Mein Fazit: dieses Buch ist lesens- und empfehlenswert! Alex Schulman ist ein großartiger Erzähler. Er weiß mit Worten und Sprache in einer fabelhaften Intensität umzugehen. Mich hat das Buch begeistert, auch wenn das Thema letztlich sehr tragisch und traurig war.