Der fünfte Dühnfort

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
metalpanda Avatar

Von

Der 20-jährige Daniel wird nachts auf einer Baustelle abgepasst und erschossen. Auf den ersten Blick ein Delikt in der Drogenszene, doch Kommissar Dühnfort und sein Team geben sich nicht mit dem ersten Verdacht zufrieden. Im Zuge der Ermittlungen erfahren sie, dass es schon der zweite Tod innerhalb kurzer Zeit in Daniels Clique ist. Ein übergewichtiges Mädchen namens Isa ist wenige Monate zuvor Opfer von Cybermobbing auf Facebook geworden und hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Toten? Dühnfort und seine Mitarbeiter haben es mit einem schwierigen Fall in der schweren Sommerhitze der bayerischen Hauptstadt zu tun.

Ich kenne alle bisher erschienenen Bände der Dühnfort-Reihe und muss ganz ehrlich sagen, dass "Verflucht seist du" in meinen Augen mit Abstand der beste Roman dieser Reihe ist. Frau Löhnig übertrifft sich mal wieder selbst. Sprachlich sowie inhaltlich sehr ansprechend - eine rundum gelungene Lektüre für die Fans des Krimi-Genres. Falsche Fährten, scheinbar belanglose Nebenhandlungen, Einschübe und auf den ersten Blick bedeutungslose Nebenpersonen, die später eine wichtige Rolle bei der Auflösung spielen - dieser Elemente hat sich die Autorin schon immer gerne bedient, doch in "Verflucht seist du" werden sie noch geschickter eingesetzt, die Überraschungsmomente kommen unvermittelt und überrumpeln den Leser in ihrer Einfachheit und Durchschaubarkeit erst dann, wenn die Autorin die Lösung auch tatsächlich präsentiert. Beim Lesen hatte ich mehrmals das Gefühl, den wahren Täter erkannt zu haben (und jedes Mal mit dem Gedanken "Na klar, genau so muss es sich zugetragen haben und nicht anders!") - doch immer lag ich daneben. Der beste Krimi ist der, der die Überraschung der Lösung bis zum Schluss offen hält.

Was ich ebenfalls lobend erwähnen muss, ist die Entwicklung der Hauptcharaktere, also der Ermittler. In den ersten Bänden hatte Dühnfort wenig Leben in sich, war für mich als Figur schwer vorstellbar. Sein einziger Lebensinhalt außerhalb des Dienstes bestand darin, die Zutaten fürs Abendessen auf dem Viktualienmarkt einzukaufen, selbiges zuzubereiten und auf dem Balkon zu verspeisen. Trostloses Junggesellenleben, aber irgendwann zum Gähnen langweilig für den Leser. Mittlerweile ist Dühnfort fest liiert und hat gewisse Zukunftspläne mit seiner Kollegin Gina. Zum ersten Mal (zumindest soweit ich mich erinnere) taucht auch Dühnforts Mutter in der Erzählung auf. Kleinigkeiten, die aber die Figur des Kommissars wirklich bereichern. Auch seine Teamkollegen werden von ihrer privaten Seite beleuchtet - die Krankheit des Sohnes von Alois und sein Hadern mit dem eigenen Gewissen mögen überhaupt nicht wichtig für den Kriminalfall zu sein (zumal Alois trotz privater Probleme hervorragende Ermittlungsarbeit leistet), macht aber die ganze Geschichte sehr menschlich und glaubwürdig. Nicht wie viele anderen Krimis, wo sich die Ermittler 24 Stunden am Tag nur mit dem Ermitteln beschäftigen, wie Kriminalroboter, auf die schnellste Falllösung programmiert.

Ebenfalls positiv anmerken muss ich, dass Inge Löhnig für ihre Erzählungen stets gründlich recherchiert hat. Als Beispiel die Geschichte mit dem Facebook-Cybermobbing. Beim Lesen unterhielt ich mich mit meinem IT-versierten Mann darüber und witzigerweise las ich wenige Seiten später genau das gleiche Ergebnis in Sachen "Durchsuchungsbeschluss bei Facebook". Die Autorin nimmt sich eines topaktuellen Themas an und stellt es wahrheitsgemäß, gut recherchiert und bestens ausgearbeitet dar. Daumen hoch!

Und auch wenn die Autorin ihr Krimi selbst nicht als "Regionalkrimi" sieht, finde ich dass Dühnfort unverwechselbar nach München gehört. Anfangs wurde ich nur deshalb auf diese Krimireihe aufmerksam, weil der Ort der Handlung Großraum München ist, wo ich auch wohne. Seien es die Löhnig-typischen ausufernden Beschreibungen der Umgebung, wofür die Autorin laut ihren Facebook-Postings ausgedehnte Radtouren um München unternimmt, oder das lakonische "ned" statt "nicht" von Evi, Mutter des Kindes von Alois - diese kleinen unverwechselbaren Details dürfen auch in der Zukunft nicht fehlen, denn sie machen diese Krimireihe in meinen Augen zum "Regionalkrimi", die mittlerweile weit hinter den Grenzen der Region Bekanntheit erlangt hat.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass Inge Löhnig mit "Verflucht seist du" einen herausragenden Krimi in jeder Hinsicht erschaffen hat. Für die Vorgeschichte, was die Figur Dühnforts und seine Kollegen angeht, sind die vorangegangenen Bände vom Vorteil, man findet aber auch ohne Vorkenntnisse in die Geschichte ein. Der Kriminalfall ist sehr gut verstrickt und bis zur letzten Seite spannend; die privaten Geschichten der Ermittler gibt es als Sahnehäubchne oben drauf. Eine äußerst lesenswerte Lektüre!