Immer ein Lesen wert!

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kascha Avatar

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„Verheiratete Frauen“ ist für mich ein feinfühliges, kluges und streckenweise überraschend ehrliches Porträt dreier Frauen um die Vierzig, die sich an ganz unterschiedlichen Punkten ihres Lebens fragen: War das alles? Und wenn nicht – was wäre noch möglich? Besonders gecatcht hat es mich, weil ich selbst gerade genau an diesem Punkt stehe. Deshalb konnte ich auch super mit den Protagonistinnen mitfühlen.

Gabriela, Silvia und Cósima sind die zentralen Figuren dieser Geschichte. Sie sind Freundinnen, Kolleginnen, Sparringspartnerinnen, wenn man mal wieder in den Ring des Alltags steigen muss. Alle drei arbeiten bei einer Frauenzeitschrift in Barcelona und wirken auf den ersten Blick wie erfolgreiche, stabile Frauen, die mitten im Leben stehen und irgendwie doch angekommen sind. Aber auch sie haben Zweifel, Sehnsüchte und stellen sich schwere Fragen. Fragen nach dem, was sie vom Leben (und von sich selbst) eigentlich wollen.

Gabriela, die Journalistin, ist echt schon unendlich lang verheiratet. Die Ehe ist stabil – aber routiniert und damit auch irgendwie langweilig. Als sie sich auf eine Affäre mit einem anderen Mann einlässt, beginnt sie, nicht nur ihre Beziehung, sondern auch sich selbst ganz neu zu hinterfragen. Muss man treu sein, auch wenn man emotional ausdorrt? Wann ist man untreu - dem Partner gegenüber. Und wie lang darf man sich selbst untreu sein?

Silvia, die Fotografin, ist schwanger – von ihrem Mann. Tief im Herzen fühlt sie sich zu Frauen hingezogen. Ihre sexuelle Identität kennt sie schon, aber hat nie darüber gesprochen. Aus Angst, Scham - vielen Gefühlen aber dem Hauptgefühl, dass das eben nicht sein darf. Die Schwangerschaft schubst sie in die Konfrontation mit ihrer Rolle, die nicht mehr zu ihr passt. Sie zu begleiten, tut emotional manchmal wirklich weh und man will sie in den Arm nehmen.

Cósima ist gerade frisch verheiratet und ist irgendwie auch nicht glücklich. Ihr Mann ist nicht wirklich scharf auf sie und ihr Leben fühlt sich nicht so an, wie die Versprechungen es ihr ausgemalt hatten.

Die drei Geschichten, die ja schon sehr unterschiedlich sind, wurden wirklich sensibel miteinander verbunden. Sie können nebeneinander allein stehen und nehmen sich gegenseitig in der Geschichte keinen Platz weg. Die Geschichten entwickeln sich auch ziemlich langsam, schweifen viel aus, teilen viele Gedanken mit den Leser:innen. Und das ist gut so, weil die Themen eben auch keine leichten sind: Ehe, Begehren, Mutterschaft, sexuelle Identität, weibliche Freundschaft, das Älterwerden, der Druck von Außen – und der noch größere von innen. Gerade für uns Frauen.

Sprachlich würde ich „Verheiratete Frauen“ als zurückhaltend-poetisch, klar und eindringlich beschreiben. Es beinhaltet wirklich genaue Beobachtungen, viele kleine Dialoge, die wie aus dem Leben gegriffen scheinen und vor allem viele innere Monologen der Protagonistinnen, denen man erst mal folgen können muss.

Besonders die Freundschaft zwischen den drei Frauen fand ich besonders schön und irgendwie warm. Die 3 sind nicht perfekt miteinander, werden nicht idealisiert, sondern in ihrer ganzen Menschlichkeit gezeigt. Ich meine, wann ist eine Freundschaft schon mal wirklich immer nur gut?

Neben diesen intimen Einblicken in das Leben dieser 3 Frauen, kommen aber immer wieder gesellschaftlich relevante Themen auf. Es geht nicht nur um individuelle Lebensentscheidung verschiedener Personen, weil denen das Herz eben gerade mal so steht. Diese Entscheidungen sind nicht losgelöst, sondern mitten in den Strukturen, in denen eben nun gerade mal Frauen ständig feststecken: Die ganzen Erwartungen an die perfekte Partnerschaft / Partnerin, die perfekte Ehefrau und Mutter, wie sich eine Frau zu verhalten hat, wie ihre Sexualität sein sollte... Die Frauen stehen ständig zwischen den Extremen: Selbstverwirklichung und Anpassung und der Spagat, den sie und eigentlich wir alle machen müssen, tut halt eben hart weh! Und das merkt man auch beim Lesen.

Aber dieses Buch sagt einem auch deutlich, dass die innere Wahrheit da ist. Dass man aber hinhören muss. Und wenn man diese innere Stimme einmal erkannt und gehört hat, dass man ihr auch folgen sollte. Egal wie unangenehm das auch werden wird. Und das wird es. So oder so.

„Verheiratete Frauen“ ist ein Buch, das absolut nicht mit dramatischen Höhepunkten um sich wirft. Es ist eher ein seichter Wasserlauf, der hin und wieder überrascht, aber tief und ruhig dahinläuft und einen als Leser:in mitnimmt. Es lädt wirklich ein, auch mal die eigenen Lebensentwürfe kritisch zu betrachten und sich zu überlegen, ob man seine eigene Stimme schon zu lange auf Mute gesetzt hat. Spoiler: Haben wir alle!

Ein wirklich schönes Buch und für mich kam es genau zur richtigen Zeit. Für euch vielleicht auch.