Mutig und spannend

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Woher sollen wir wissen, welche Tage später mal Wendepunkte sind?
Man schiebt es hinaus, denkt man hat Zeit, alles zu klären und lässt Sachen ungesagt, Dinge ungetan. Doch was, wenn wir sie nie wieder sagen können?

Ann arbeitet in einer Kanzlei und verwaltet Testamente anderer Menschen. Sie weiß also zu gut, dass das Ende stets eintreten kann und das man nicht alles vorbereiten kann. Doch das ausgerechnet er, der, mit dem sie noch so viel vor hatte oder halt eben nicht, tot ist, darauf konnte sie sich nicht vorbereiten. Nie wieder kann er sie küssen, sie hinhalten, sie verletzen, sie anlügen… . Da keiner von ihnen weiß, muss sie diesen Verlust, der keiner sein dürfte, weil diese Beziehung nicht sein dürfte, nun mit sich alleine ausmachen. Mehr zu ihm sprechend als zu uns, lässt sie die gemeinsame Zeit in Versen Revue passieren. Kurze, prägnante Sätze, pointierte Worte, retrospektivische Bewertungen und das innerliche Durcheinander: All das machen diesen Roman besonders, wie ein Lied, dessen Songtext sich sofort einprägt.
Nicht nur inhaltlich empfinde ich Sarah Crossans Werk als sehr originell, die Affäre ist nicht selten vertreten im Roman, aber wann hat eine Protagonistin schon Zeit, die Sicht der Frau kennenzulernen? Dass erst der Mann, der in diesem Liebesdreieck die Spitze bildete; sterben muss für diesen Perspektivwechsel; sagt so viel über die Affäre aus. Das Unehrliche, die Verschlossenheit. Vor allem hat die formale Gestaltung positiv überrascht: Nie hätte ich gedacht, von einem Roman in Versform so begeistert zu sein. Dieser Aufbau der Sprache spielt mit dem Inhalt, erleichtert ihn und macht es gleichzeitig so schwer, nicht mitzufühlen. Auch mein Herz war danach verheizt.