Rastlose Trauer

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roomwithabook Avatar

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Wie kann man um jemanden trauern, zu dem man offiziell nur eine geschäftliche Beziehung hatte? Ana ist Rechtsanwältin, verheiratet mit zwei Kindern, hat aber schon seit drei Jahren eine Affäre mit Connor, der ursprünglich mit juristischen Fragen in die Kanzlei kam, dann aber schnell zu einem alles überstrahlenden Geliebten wird, einem der Wann-wird-er-endlich-seine-Frau-für-mich-verlassen-Sorte, der, man kann es ahnen, diesen Wunsch nie erfüllen wird. Durch Connors plötzlichen Tod muss sich Ana nicht mehr die Frage stellen, wann und ob es soweit kommt. Es wird nie passieren, doch wie trauert man um einen heimlichen Geliebten?
Sarah Crossan hat diesen Roman in Versform geschrieben, und das passt sehr gut, denn der dadurch entstehende Rhythmus verdeutlicht Anas Schmerz und ihre Rastlosigkeit. Aus lauter Verzweiflung nähert sie sich Connors Witwe an, hilft ihr beim Durchsehen der Papiere, immer in der Hoffnung, ihm dadurch näher zu sein. Ihre eigene Ehe, die sie gern für ihn verlassen hätte, tritt dabei immer mehr in den Hintergrund, auch um ihre Kinder scheint es ihr kaum zu gehen. Das ist auch ein Kritikpunkt am Buch, außerhalb der Affäre bleibt alles blass und seltsam belanglos, die Kinder sind zwar brav, aber eine wirkliche Bindung zu ihnen scheint es nicht zu geben. Auch Connors Familie ist eher ein Hintergrundrauschen für ihn, erst nach seinem Tod ist Rebecca als Person zu erkennen. Das ist vermutlich Absicht, so wird deutlich, wie sehr diese Affäre alle Energien bindet und jegliche Gefühle außerhalb verdorren lässt.
Der Stil passt hier seht gut zum Inhalt, man rast ähnlich hektisch wie Ana durch den Roman und bekommt so ein sehr gutes Gefühl für ihren Seelenzustand. Insgesamt habe ich das Buch gern gelesen, auch wenn es thematisch eigentlich keine Geschichte ist, zu der ich normalerweise greifen würde. Aber ein bisschen Abwechslung ist manchmal ja auch ganz schön.