Kein Krimi der leichten Antworten

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elmidi Avatar

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„Verletzung“ ist der Beginn einer brisanten Krimireihe um Toni Stieglitz – sie ist Hauptkommissarin in der Münchener Mordkommission. Es sei denn, sie fällt so aus der Reihe, dass sie strafversetzt wird.

Toni ist keine einfache Frau – für ihre Kollegen nicht und auch nicht für den Leser. Sie wird leicht ungehalten und verbal aggressiv, dann wieder ist sie völlig fertig, körperlich hart an der Grenze zum Zusammenbruch, übernächtigt und überarbeitet. Sie kommt aus einer Beziehung mit Mike, einem göttlich aussehenden, nach außen charmanten Münchner Polizisten, der sie jedoch jahrelang geschlagen und misshandelt hat. Toni hat sich erst einmal in ein Zimmer in einer Pension geflüchtet. Sie fühlt sich verfolgt und dieser Eindruck verschärft sich im Laufe der Geschichte. Die eigene beklemmende Situation der Ermittlerin, die mit ihren eigenen Dämonen kämpft, ist der eine sehr eindringliche Handlungsstrang in diesem Krimi.
Tonis Strategie gegen ihre Seelenkrise ist es, sich in die Arbeit zu stürzen. Und hier tut sich genug. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, sorgfältig vor einer Kirche mitten in der Fußgängerzone drapiert. Es soll nicht bei diesem einen Mord bleiben …

„Verletzung“ ist kein leichter Krimi, er ist schwer und tiefgründig. Am Ende erfahren wir auch von den Seelennöten des Täters, Hassgefühle kommen da nicht auf. Am meisten beeindruckt hat mich die sehr differenzierte Darstellung von Toni als einer Frau mit Verletzungen. Sie kämpft mit sehr ambivalenten Gefühlen. Einerseits erwischt sie sich dabei, immer wieder in die angstvolle Opferrolle zurückzufallen, die sie sich in der Beziehung zu Mike hat zulegen müssen, um hier zu überleben. Von dieser seelischen Zwangsjacke befreit, muss sie neu lernen, wer sie ist. Erst am Ende des Buches beginnt sie, Wege für sich zu finden.
Aber der Fall um die ermordeten Frauen ist nicht weniger eindrucksvoll dargestellt. Was für eine Art Täter legt solchen Wert darauf, die Frauen wie zerbrochene Puppen zu drapieren? Was hat es mit der roten Farbe der Kleidungsstücke auf sich, die sie tragen und mit der Kneipe, in der sie offensichtlich alle zuvor waren?

Fazit:
Kein Krimi der einfachen Antworten – spannend, tiefgründig und richtig gut.