Ein solider Krimi mit Luft nach oben

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missmarie Avatar

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Dass Mishani schon mehrer Krimis rund um den Kommissar Avraham Avraham veröffentlicht hat, wusste ich vor dem Lesen nicht. Mein fehlendes Vorwissen war aber kein großes Hindernis. In die Handlung kam ich problemlos hinein und der Krimi hat mich insgesamt gut unterhalten. Stellenweise wurde es richtig spannend, auf anderen Seiten hat der israelische Autor die zähe Polizeiarbeit nacherlebbar dargestellt. Dieses Mal wird in zwei Fällen ermittelt: Am selben Tag verschwindet ein Tourist aus seinem Hotel und ein Baby wird im Krankenhaus ausgesetzt. Beide Fälle führen schließlich nach Paris.

Die Baby-Teilhandlung hat mir besser gefallen. Das liegt vor allem daran, dass Mishani die vermeintliche Täterin in mehreren Kapiteln zu Wort kommen lässt und uns so zwei ganz unterschiedliche Varianten der Wirklichkeit präsentiert. Der Touristenfall hingegen entwickelt sich zu einer mutmaßlichen Geheimdienst- und Spionageerzählung. Hier waren für meinen Geschmack zu viele Theorien im Raum, die auseinanderzuhalten ab einem gewissen Punkt anstrengend wurde.

Insgesamt finden sich in dem Roman viele lose Fäden, die der Leser am Ende zusammenführen soll. Vielleicht hätte es dem Buch gut getan, wenn nur eine der beiden Handlungen verfolgt worden wäre und Motive wie Rassismus, Juden und Araber in Israel, Geheimdienstarbeit, Medien und Kindeswohl besser ausgeführt hätten werden können. Über den gesamten Roman hinweg scheinen mir die Verbindungen zwischen den beiden Fällen stark konstruiert. Der Twist im Epilog entfaltet leider nicht die erwünschte Wirkung, sondern wirkt ganz im Gegenteil wie eine nachträglich eingefügte Verbindung.

Dass so viele Themen zu kurz kamen, finde ich vor allem deshalb schade, weil Mishani immer wieder zeigt, was er eigentlich kann. Der Professor für Kriminalliteratur kann Agentengeschichten genauso großartig erzählen wie die kleinen Ermittlungsarbeiten - eigentlich. Auch die vielen Anspielungen auf literarische Ermittler von Mankells Wallender bis Christies Poirot haben mir gefallen.

Fazit: Hier wäre literarisch und gesellschaftskritisch mehr drin gewesen, wenn sich der Autor auf einen Handlungsstrang kritisiert hätte. Wer einen soliden Krimi sucht, sollte aber auf seine Kosten kommen.