Identitätsbetrug - ad absurdum!?

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constanze_pachner Avatar

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"In einem Vorort von Tel Aviv wird vor einem Krankenhaus ein Neugeborenes gefunden. Am selben Tag verschwindet ein Tourist und lässt sein Gepäck im Hotelzimmer zurück. Inspektor Avi Abraham hat genug von Bagatellfallen und häuslichen Dramen. Deshalb stürzt er sich gleich in den rätselhaften Vermisstenfall - und Gerät in ein Labyrinth aus Gewalt und Täuschung, das ihn bis nach Paris und nicht nur mit dem Mossad in Konflikt bringt." (Klappentext)

Zugegeben ich bin eigentlich kein Krimileser, aber nachdem ich 2019 den Roman 'Drei' von Dror Mishani innerhalb eines Wochenendes voller Aufruhr gesuchtet hatte, stieg mein Verlangen nach mehr und ich konnte meine hibbeligen Finger nicht von seinem neuen, eher klassisch angelegten Kriminalroman 'Vertrauen' lassen.

Ganz locker und frei erwartete ich von der Lektüre keine Wiederholung des durch 'Drei' in mir ausgelösten Spektakels, so dass mich der Autor abermals mit seiner von intelligenter Kompression prall gefüllten literarischen Sprache begeistern konnte.
Auf schleichenden Füßen kribbelt die Spannung durch die Seiten, um an gänzlich unerwarteten Stellen kleine Paukenschläge zu vollführen - ohne den Showdown vorweg zu nehmen.
Dieser entlädt sich wie ein Stromschlag erst am Ende. Dieser Stromschlag verbindet im Verborgenen die beiden Fälle, verbindet Identitäten, führt das den Menschen trennende Wort 'Identitätsbetrug' ad absurdum und versucht mit dem Vertrauen in die Kraft der liebenden Menschlichkeit den "als Windmühlen getarnten gewaltigen Riesen" (325) zu begegnen, um ihren wehenden Windhauch des Todes wegzublasen.

Das elektrisierend verbindende Glied der beiden Fälle rührt Avi Abraham, nimmt ihn an die Hand und gibt ihm die Gelegenheit, dem geschenkten Leben etwas zurück zu geben:

"...er habe beschlossen, im Erdgeschoss zu bleiben, weil man vom Dach nicht die Gesichter der Menschen sieht." (350)