Subtil und untypisch

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
romy_abroad Avatar

Von

Avi Avraham hat genug von den alltäglichen Kriminalfällen, mit denen er es in seinem Arbeitsalltag bei der Polizei von Tel Aviv zu tun hat: Es geht um häusliche Gewalt, Diebstahl, oder Betrug. Seine Arbeit scheint keinen sinnvollen Beitrag zu leisten, kein höheres Ziel zu verfolgen. Entsprechend hat er wenig Interesse an dem Neugeborenen, das vor einem Krankenhaus ausgesetzt wurde, und lässt eine seiner Mitarbeiterinnen den Fall übernehmen. Er selbst interessiert sich mehr für den Touristen, der scheinbar spurlos aus seinem Hotelzimmer verschwunden ist: Da er sein Zimmer noch nicht bezahlt hatte, wendet der Hotelbetreiber sich an die Polizei. Als Avraham das Hotel aufsucht, hat sich das genze jedoch schon erledigt: Die Rechnung wurde in der Zwischenzeit beglichen. Doch Avraham kann nicht anders, und stellt weitere Fragen: Wer hat die Rechnung beglichen? Und aus welchem Grund? Wo ist der Tourist jetzt? Und vor allem: Hält er sich dort freiwillig auf? Er stellt Nachforschungen an und findet dabei ganz andere Dinge heraus, als er erwartet hat...
In "Vertrauen" erzählt Dror Mishani die Geschichte zweier Verbrechen, die auf den ersten Blick simple wirken: Begangen aus Angst oder Gier, Ausweglosigkeit oder Hass. Doch was im Laufe der Geschichte ans Licht kommt, liegt tiefer und ist komplexer: Fanatismus, Religiosität, Kontrollsucht, Liebe, Hörigkeit, Macht und Herrschaft. Viele dieser Motive werden verschleiert, geleugnet oder verheimlicht, und doch kommen sie Schritt für Schritt heraus. Das Bild, das vor den Augen des Lesers entsteht, vervollständigt sich nach und nach, und verändert seine Gestalt dabei vollkommen. Die Erzählweise von Mishani ist dabei viel subtiler, als man es von vielen Kriminalromanen kennt. Er verzichtet auf graphische Schilderungen oder schockierende Bilder. Stattdessen entwickeln sich die Ereignisse langsam aber stetig, ohne dass der Leser zu offensichtlich auf eine falsche Fährte gelockt wird. "Vertrauen" ist vielschichtig und erzählt gleichermaßen die Geschichte von Opfern und Tätern, von Gut und Böse, von Vertrauen und Verrat.
Mir hat der Roman gefallen, auch wenn es mir schwer fällt, diese Bewertung an einzelnen Elementen fest zu machen. Mit den Charakteren bin ich nicht richtig warm geworden, die Entwicklung der Handlungsstänge etwas zu schleppend. Vielleicht hat auch der besondere Handlungsort mit seiner besonderen Kultur und Sprache (auch nach Übersetzung an Namen und Orten erkennbar) dafür gesorgt, dass mein Lesefluss etwas zäh war. Trotzdem hat die Geschichte mich fasziniert und in ihren Bann gezogen, vielleicht gerade weil manche Elemente fremd auf mich gewirkt haben.