Beinah dystopisch
Wer Marc-Uwe Kling nur mit dem Känguru verbindet, tut ihm unrecht und das nicht nur wegen einiger Kinderbücher, sondern auch wegen etwa Qualityland. Grob in die Richtung geht die Reise auch mit „VIEWS“, einem Buch „ohne Cover“, doch das ergibt Sinn. Denn die Geschichte handelt von einer verschwundenen Teenagerin: Lena Palmer, die nicht bei ihrem Freund ankam und von der ein Video viral geht, das nahelegt, dass sie nicht nur verschwunden ist, sondern vermutlich tot sein dürfte. Die Polizei tappt zunächst im Dunkeln, doch die in dem Fall ermittelnde BKA-Kommissarin Yasira Saad muss schnell Ermittlungsergebnisse liefern, denn der Mob kocht, Flüchtlingsheime brennen, auf vom „Aktiven Heimatschutz“ organisierten Großdemonstrationen wird aufgefordert, Politiker „zur Rechenschaft“ zu ziehen, es gibt Gegendemonstrationen, die Medien heizen auf der Jagd nach Schlagzeilen die Stimmung auf, das gesamte Staatsgefüge scheint ins Wanken zu geraten.
So schwer ich mich anfänglich mit dem Schreibstil (und dem Cover) tat, so einleuchtend ist das alles nach der Lektüre, denn die Handlung ist in etwa so gehetzt wie es die Sprache ist und auch wie aktuelle reale Entwicklungen, auf die Kling hier beinah schon mit dem Holzhammer referenziert: Die Anspielungen beginnen mit dem Namen der Ermittlerin, den Parallelen zu unterschiedlichen Teilen des Geschehens in ihrem privaten Umfeld (selbst Kind Geflüchteter, Tochter in ähnlichem Alter wie Lena), reichen über die Benennung der rechten Gruppierung und deren Zulauf, bis hin zu Wahlen, Deepfakes und die nicht immer rühmliche Rolle der Medien. Das ist unerfreulich nah dran an so manchen aktuellen Schlagzeilen und nicht nur einmal habe ich mich gefragt, wie „visionär“ Kling war oder ob er „nur“ auf den Zug aufgesprungen ist. Er hält auch in manchen seiner Beschreibungen von Gewalt nicht hinterm Berg, deutet anderes aber nur an und schafft so eine Art Schwebezustand, was insbesondere für das Ende gilt. Bei all dem setzt er aber auch seinen typischen Humor (nicht in der teils albernen Känguru-Version) ein, sodass man nicht vollends deprimiert aus der schnell vonstattengehenden Lektüre (s. o. Kling hetzt seine Leserschaft geradezu durch die Handlung – und greift damit genau den Mechanismus auf, weshalb vermutlich im Buch und „da draußen“ passiert, was passiert) geht. Mulmig ist einem nach der Lektüre durchaus, aber eigentlich nur, weil er bestätigt, was man ohnehin fürchtete, wenn man sich zumindest gefühlt zuspitzende Schlagzeilen (und gar die jeweiligen Hintergründe) liest. Man kann dem Buch nur eine breite Leserschaft wünschen, die nach der Lektüre ihr Verhalten in puncto diverser hier skizzierter Themenfelder zumindest überdenkt. Hätte dem Buch ein Hoffnungsfunke gutgetan, um nicht gar so dystopisch zu wirken und jedem einzelnen die Botschaft mitzugeben, dass man sehr wohl etwas beeinflussen kann, solange „das System“ das hergibt? Ich bin unschlüssig … 4,5 Sterne, die ich wegen dieser Unschlüssigkeit abrunde, obwohl „VIEWS“ wegen des Nachhalls, den es bei mir verursachen wird, an sich 5 verdient hätte.
So schwer ich mich anfänglich mit dem Schreibstil (und dem Cover) tat, so einleuchtend ist das alles nach der Lektüre, denn die Handlung ist in etwa so gehetzt wie es die Sprache ist und auch wie aktuelle reale Entwicklungen, auf die Kling hier beinah schon mit dem Holzhammer referenziert: Die Anspielungen beginnen mit dem Namen der Ermittlerin, den Parallelen zu unterschiedlichen Teilen des Geschehens in ihrem privaten Umfeld (selbst Kind Geflüchteter, Tochter in ähnlichem Alter wie Lena), reichen über die Benennung der rechten Gruppierung und deren Zulauf, bis hin zu Wahlen, Deepfakes und die nicht immer rühmliche Rolle der Medien. Das ist unerfreulich nah dran an so manchen aktuellen Schlagzeilen und nicht nur einmal habe ich mich gefragt, wie „visionär“ Kling war oder ob er „nur“ auf den Zug aufgesprungen ist. Er hält auch in manchen seiner Beschreibungen von Gewalt nicht hinterm Berg, deutet anderes aber nur an und schafft so eine Art Schwebezustand, was insbesondere für das Ende gilt. Bei all dem setzt er aber auch seinen typischen Humor (nicht in der teils albernen Känguru-Version) ein, sodass man nicht vollends deprimiert aus der schnell vonstattengehenden Lektüre (s. o. Kling hetzt seine Leserschaft geradezu durch die Handlung – und greift damit genau den Mechanismus auf, weshalb vermutlich im Buch und „da draußen“ passiert, was passiert) geht. Mulmig ist einem nach der Lektüre durchaus, aber eigentlich nur, weil er bestätigt, was man ohnehin fürchtete, wenn man sich zumindest gefühlt zuspitzende Schlagzeilen (und gar die jeweiligen Hintergründe) liest. Man kann dem Buch nur eine breite Leserschaft wünschen, die nach der Lektüre ihr Verhalten in puncto diverser hier skizzierter Themenfelder zumindest überdenkt. Hätte dem Buch ein Hoffnungsfunke gutgetan, um nicht gar so dystopisch zu wirken und jedem einzelnen die Botschaft mitzugeben, dass man sehr wohl etwas beeinflussen kann, solange „das System“ das hergibt? Ich bin unschlüssig … 4,5 Sterne, die ich wegen dieser Unschlüssigkeit abrunde, obwohl „VIEWS“ wegen des Nachhalls, den es bei mir verursachen wird, an sich 5 verdient hätte.