Nicht mein Buch...

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fraedherike Avatar

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"Uns wird beigebracht, dass wir uns um all das einen riesen Kopf machen müssen. Als würde jede Entscheidung, die wir treffen, einen ganz bestimmten Weg vorgeben." (S. 35)

Dunkel liegt die Nacht über ihnen, ihre Gesichter nur erhellt vom sanften Schein des Lagerfeuers. Bis zu diesem Abend war Rosie ihm nicht aufgefallen. Er wusste nur wenig über sie, dieses Mädchen mit den blassen, schmalen Händen, doch als Will sie leise lachen hört, fängt etwas in ihm Feuer. Sie kommen ins Gespräch, zuerst nur Smalltalk, Belangloses, aber ihre Nähe gibt ihm Sicherheit; ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr in der Nähe eines anderen Menschen gespürt hatte – und ihre Stimme hält ihn wach in dieser Nacht.

"Sie existieren im Tandem und verlangen sonst nichts voneinander." (S. 213)

Sie kann nicht aufhören an ihn zu denken. In der Schule wirkt er unnahbar, als sei er zu cool, sich mit anderen Menschen abzugeben, ein Aufreißer. Aber Rosie hat eine andere Seite von ihm kennengelernt, hinter die Fassade geblickt. Für einen Abend. Aus einem Abend wird eine Nacht. Schlaflos sitzen sie in der Küche im Haus von Rosies Eltern, Will hatte ihrem Zwillingsbruder Josh Nachhilfe gegeben, und essen Cornflakes, draußen wirbelt der Schnee. Zaghaft lernen sie einander kennen, tasten sich mit Worten ab, mit Blicken. Aus einer Nacht werden Tage und Wochen, wird: Liebe. Es könnte für immer sein, das spüren sie beide, aber dann passiert ein schlimmes Unglück und nichts ist mehr, wie es vorher war. Sie verlieren einander, doch die Gedanken aneinander niemals. Und Liebe überdauert alles, oder?

"Wie kann Liebe falsch sein? Wie kann irgendeine Form der Liebe schlecht sein?" (S. 156)

Auf den ersten Blick klingt das alles sehr nach Klischee: der hotte, unglaublich coole Typ, der von allen Mädchen angehimmelt wird, und das schüchterne, liebe Mädchen verlieben sich ineinander, aber dann passiert ein Unglück, und dennoch leben sie glücklich bis ans En... Nein, nein. Was Claire Daverley in ihrem Debütroman „Vom Ende der Nacht“, aus dem Englischen von Margarita Ruppel, entspinnt, ist viel mehr als das. Und doch konnte mich das Buch leider nicht abholen.

Es sind vor allem die Momente, in denen Rosie und Will gemeinsam im Bild sind, die mich... genervt ist nicht das richtige Wort dafür, aber kommt dem, was ich gefühlt habe, schon ziemlich nah. Zuckersüß bis cringe, blumige Beschreibungen einer zart entflammenden Liebe; klar, so sah meine Welt vermutlich auch aus, als es mich packte, aber hier war es für meinen Geschmack einfach zu viel. Diesem Gefühl konnte Einhalt geboten werden durch die tieferen Ebenen, die sich auftun – wobei auch das irgendwie gewollt anmutete, weil es musste einen Turning Point geben. Ab da hatte die Geschichte mich wieder, denn es sollte der erste Break der beiden sein: Rosie geht, lässt Will, lässt ihr altes Leben hinter sich, um eine Andere zu werden, während Will seinen Schmerz in Alkohol und Arbeit ertränkt.

Liebevoll zeichnet Daverley die unterschiedlichen Arten des Trauerns, der alten Narben, die sie tragen, und der neuen, die sie verbinden, erzählt von Wills Vergangenheit und seiner Familie, von Rosies neuem Leben an der Universität und dem Gefühl, für immer einen Teil seiner Selbst verloren zu haben; von Abhängigkeit und Schmerz, von Einsamkeit, Sehnsucht und Naivität. Und: von den Launen des Schicksals, das sie voneinander weg und zueinander hin wirbelt. Leider konnten mich weder die Protagonist:innen noch der Plot zu irgendeinem Zeitpunkt abholen, überflog ich ab der zweiten Hälfte die Seiten, in der Hoffnung, noch einmal einen Einstieg zu finden, aber auch am Ende der Nacht fanden wir uns nicht. Schade!