ein emotional berührender Roman zwischen Thriller und Familiengeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
mrs-lucky Avatar

Von

Nach der Lektüre von Chris Whitakers Roman „Von hier bis zum Anfang“ bin ich froh, dass ich mich vom dem sehr pathetisch bis kitschig klingenden Klappentext nicht habe abschrecken lassen, denn ansonsten hätte ich einen außergewöhnlichen und bewegenden Roman verpasst.
Der Autor ist Brite, sein Roman spielt jedoch in Amerika in der fiktiven kalifornischen Kleinstadt Cape Haven, in der Jeder Jeden zu kennen scheint. Vor dreißig Jahren wurde der damals 15-jährige Vincent King des Mordes an der 7-jährigen Sissy Radleys angeklagt und verurteilt. Nun hat er seine Strafe abgesessen und kehrt in seine Heimatstadt zurück, doch die Menschen dort haben seine Tat weder vergessen noch vergeben sie ihm. Nur der Polizist Walker, Vincents Freund aus Kindertagen, hält weiter zu ihm. Walk ist so etwas wie die gute Seele des Ortes, versucht Frieden zwischen den Bewohnern zu halten und zu verhindern, dass sich der Ort verändert. Die Rückkehr Vincent Kings reißt alte Wunden auf, der Tod Sissy Radleys hat nicht nur Vincents Leben nachhaltig verändert.
Die Familie des Mädchens ist durch ihren Tod zerbrochen, der Vater weggezogen, die ältere Schwester Star Radley und damalige Freundin Vincent Kings leidet an Depressionen, verfällt immer wieder dem Alkohol und schafft es nicht, sich um ihre beiden Kinder Duchess und Robin zu kümmern. Walk hält ein Auge auf die kleine Familie, die Hauptlast trägt jedoch die 13-jährige Duchess, die sich rührend um ihren kleinen Bruder kümmert und sich mit ihrer schroffen Art eine Fassade geschaffen hat gegen die Anfeindung und Ablehnung ihrer Mitschüler.
Es gibt einige tragische Helden in dieser Geschichte, Walk und Duchess sind zwei davon, sie erzählen abwechselnd aus ihrer Perspektive von den Ereignissen, die Vincent Kings Rückkehr auslöst und das Leben der Radley-Kinder nachhaltig beeinflusst.
Mich hat der Stil der Erzählung beeindruckt, der mit knappen und präzisen Sätzen eine eindrucksvolle Atmosphäre und eine intensive Nähe zu den Hauptfiguren schafft. Insbesondere Duchess ist ein bemerkenswerter Charakter, sie erscheint aufgrund ihrer Lebensumstände älter als 13 Jahre, und ist in anderen Situationen wiederum ein trotziger Teenager, der seinen Platz im Leben sucht.
Vieles wirkt überspitzt, die Zahl der involvierten Personen ist sehr begrenzt, dennoch wirkt der Roman nie unglaubwürdig, die Figuren wirken im Gegenteil so real, dass man meint sie über die Straßen spazieren zu sehen und ihnen im Kopfkino zu folgen. Die Stimmung ist eher düster, dennoch gibt es ebenso ans Herz gehende Szenen wie solche zum Schmunzeln.
Vieles in der Geschichte ist nicht so, wie es zu Beginn der Geschichte scheint, der Autor überrascht den Leser immer wieder mit unerwarteten Wendungen, erst ganz zum Schluss offenbaren sich die tatsächlichen Zusammenhänge und das ganze Ausmaß der tragischen Umstände.
Für mich ist dieser Roman sowohl inhaltlich als auch sprachlich eines der Lese-Highlights des Jahres.