Ein neuer großer georgischer Familienroman

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nathalielamieux Avatar

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Brilka und Dina, Nene, Ira und Keto aus Nino Haratischwilis Romanen haben mein Herz für Literatur über Georgien geöffnet. Nun entdeckte ich Leo Vardiashvilis „Vor einem grossen Walde“, übersetzt aus dem Englischen von Wibke Kuhn, und konnte die Lektüre nicht erwarten.
Vorab: Auch Saba, den Protagonisten aus diesem georgischen Familienroman, werde ich in mein Herz schließen.
Doch worum geht es? Anfang der 90er gelingt es Saba, seinem Bruder Sandro und seinem Vater Irakli dem Bürgerkrieg in Georgien zu entkommen. Eine Fluchtmöglichkeit bietet sich, doch das Geld reicht nicht für alle – die Mutter Eka müssen sie in Georgien zurücklassen, während sie selbst versuchen, in England ein neues Leben aufzubauen. Jeder Penny wird umgedreht und versucht, Eka aus Georgien zu bekommen. Doch vergeblich. Die Jahre vergehen und nach zwanzig Jahren ist Eka gestorben, ohne jemals ihre Familie wiedergesehen zu haben. Vorwürfe und Schuld frisst am Vater, der mehrfach versucht, nach Georgien zurückzukehren, es aber irgendwie nicht schafft. Doch irgendwann ist er einfach weg, nur ein paar kryptische Hinweise haben die erwachsenen Söhne. Bevor sich seine Spuren ganz verlieren, reist ihm Sandro nach. Doch auch zu ihm reißt der Kontakt ab und Saba entscheidet sich, selbst nach Georgien zu reisen. Doch schon am Flughafen beginnt diese Reise seltsam und schwierig zu werden – die Polizei greift ihn auf und kassiert seinen Pass ein. Eine Flut hat Tbilissi getroffen, Zootiere sind entkommen und die ganze Stadt ist im Ausnahmezustand. Überall sind Hyänen, Tiger, Nashörner im Stadbtbild für Chaos verantwortlich. Und Saba macht sich auf die Suche nach Sandro und Irakli. Doch auch Sandro ist auf mysteriöse Weise verschwunden, er hat lediglich neue kryptische Nachrichten und Codes für ihn hinterlassen, wie sie sie in ihrer Kindheit verwendet haben. Für Saba beginnt eine Art Roadtrip durch Georgien bis nach Ossetien auf der Suche nach den Verschwunden. Dabei findet er Verbündete und Feinde und wird durch die Stimmen seiner ehemals geliebten Menschen in seinem Kopf begleitet.
Wir erfahren von den Opfern, die der Krieg gefordert hat. Nicht nur die Menschen, die verloren wurden, auch die Leiden und Schmerzen, die das für jeden Einzelnen bedeutete. Was der Verlust der Heimat, des Heims, von Dingen, von Stimmen, mit Menschen macht. Und das Menschlichkeit und Wärme da sein kann, auch wenn sonst sehr wenig da ist.
Ich habe es wirklich sehr gerne gelesen und werde aufmerksam beobachten, was dieser Autor noch schreibt.