Menschlich und traurig

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julimond Avatar

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Dieses Buch zu beschreiben fällt mir nicht leicht; es stimmt nachdenklich und hinterlässt mich mit Fragezeichen. Vor allem Fragen nach dem eigentlichen Sinn des Lebens. Geschildert wird hier, sprachlich meisterhaft, das Leben zweier ungleicher Brüder im Mittelwesten Amerikas. Vor allem Chic, der Jüngere steht im Fokus. Beginnend in den 50er Jahren erleben und erleiden wir sein Schicksal bis in die 90er Jahre.
Im Grunde will Chic nur eines, eine normale Familie und ein bisschen Glück im Leben. Doch schon zu Beginn, Chic befindet sich mit seiner Frau Diane auf der Hochzeitsreise nach Florida, zeigt das junge Glück Risse, die sich zu einem unüberwindbaren Graben entwickeln sollen. Eigentlich fühlt er sich mehr zu seiner exotischen Schwägerin Lijy hingezogen und das Geheimnis, dass diese ihn letztendlich zu wahren zwingt, beeinflusst sein Leben und das seiner Familie nachhaltig. "Mein Leben ist nichts als ein Loch in der Erde und ich komm nicht raus". Dieses Haiku, von Chic selbst geschrieben, drückt eigentlich alles aus, was Chic Waldbeesers Leben ausmacht; eine Aneinanderreihung von Missverständnissen und unausgesprochenen Gefühlen. Sowohl Chic als auch Diane halten diese fest unter Verschluss. Doch das Leben geht weiter, unaufhaltsam voran, voran, immer weiter voran.
In einem zweiten Erzählstrang erfahren wir etwas über Mary Genesco, die auch an ihren Träumen vorbeilebt und deren Weg den von Chic kreuzt. Sollte das Glück den Weg zu Chic gefunden haben? Ich möchte nichts vorwegnehmen, nur soviel: zufrieden war ich mit dem Ende des Buches nicht!
Wie oben schon gesagt, leicht ist es nicht, diesem Buch in einer kurzen Rezension gerecht zu werden. Ich finde es auf alle Fälle empfehlenswert. Es ist sicher kein hochspannender Pageturner, aber es ist wunderbar menschlich, irgendwie traurig und vor allem hinterlässt es Spuren. Auch nachdem ich es längst ausgelesen habe, beschäftigt mich Chics Schicksal, das seines Bruders Buddy und der anderen Protagonisten. Und das ist mehr, als manch aufregender Thriller, dessen Inhalt man bereits auf der vorletzten Seite vergessen hat, erreicht. Auf Mary Genesco allerdings hätte ich persönlich verzichten können.