Traurige Familiengeschichte

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timphilipp Avatar

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Nach Lektüre der für mich recht vielversprechenden Leseprobe hat mich das Buch enttäuscht zurückgelassen. Der Geschichte fehlt eine durchgängige Handlung. Stattdessen beruht sie, die immerhin 430 Seiten umfasst, auf sich ständig wiederholenden Fragmenten aus dem Leben der Brüder Chic und Buddy Waldbeeser und deren Familien, die zudem fast alle an psychischen Störungen leiden und einfach nur traurige Gestalten abgeben. Wir nehmen in einer nahezu 50 Jahre umfassenden Zeitspanne von Anfang der 50er bis Ende der 90er Jahre am Leben der Waldbeesers teil. Beide Brüder haben nie weder den Suizid ihres (depressiven?) Vaters, als sie selbst noch Kinder waren, verwunden noch den Fortgang ihrer Mutter mit einem neuen Mann. Chics daraus resultierender Wunsch nach einer normalen Familie mündet in eine viel zu früh geschlossene Ehe mit seiner Mitschülerin aus der High-School Diane. Ein Sexualleben mit ihr findet so gut wie gar nicht statt, so dass Chic oft masturbiert. Der einzige Sohn geriert sich schon im Kindesalter als kleiner Wissenschaftler und stirbt früh bei einem Unglück mit der Folge, dass Diane lange Jahre nur noch im Bett liegend, (fr)essend und Radio hörend zubringt, bis sie an Fettsucht stirbt. Buddy führt Gespräche mit seinem verstorbenen Vater. Von seiner indischen Ehefrau Lijy fühlt Chic sich angezogen, ohne dass dies auf Erwiderung trifft. Bzgl. der Vaterschaft des aus einem einmaligen Seitensprung mit einem Dritten hervorgegangenen Kindes lassen Lijy und Chic einverständlich Buddy im Glauben, Chic sei der biologische Vater. Das Personenregister wird vervollständigt um die professionelle Billard-Spielerin Mary, die nie über die Trennung von ihrem ersten Freund hinweggekommen, mindestens neunmal verheiratet gewesen ist und bereits nach wenigen Tagen der Bekanntschaft meint, mit Chic eine Zukunft zu haben, für den sie ihren an den Folgen eines Schlaganfalls leidenden Ehemann nach nur wenigen Wochen Ehe verlassen will. Diese kurze Skizzierung der Romanfiguren dürfte zeigen, wie abstrus und unrealistisch alles ist. Abschließend sei noch auf einen Aspekt eingegangen, der mir gut gefallen hat: Eingestreut sind eine Reihe von (traurigen) Gedichten in Haiku-Form, die Chic verfasst hat, nachdem er seine dichterische Ader entdeckt hat.