Voran, voran ... aber wohin?

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regenprinz Avatar

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Ausnahmsweise möchte ich mich zu Beginn dieser Rezension selbst zitieren, das folgende war das Fazit meines Leseeindrucks: "Ich finde die Leseprobe wirklich gut geschrieben. Ob mir das Buch am Ende gefällt, wird vermutlich davon abhängen, ob die düstere Stimmung sich irgendwann - wenigstens ein bisschen - aufhellt."
Tja, nun habe ich das ganze Buch gelesen, und mein Eindruck ist derselbe: Der Autor kann gut schreiben, kein Zweifel. Auch wie die beiden Handlungsstränge sich irgendwann treffen und zeitlich überschneiden, finde ich ganz gelungen konzipiert. Aber leider ist die Geschichte (sowohl Chics als auch Marys Teil) derart deprimierend, dass es kaum zum Aushalten ist. Die Figuren stecken tief im Sumpf ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit, sie balancieren höchstens stellenweise mal scharf an der Lächerlichkeit entlang, aber ansonsten erstickt diese Geschichte in ihrer Ödnis, den albernen Lügen, den Banalitäten und Hässlichkeiten, dem Frust, der Trostlosigkeit. Vielleicht ist es ja mein persönliches Leseproblem, dass mir Bücher schlicht keinen Spaß machen, wenn ich keine Sympathieträger darin finde und hier gab es leider keine einzige Figur, die ich mochte. Chic nicht, Diane nicht, Buddy nicht, Lijy nicht, Mary und Green nicht. Entsprechend wenig berührt mich dann ihr Schicksal, so hart es auch sein mag. Allenfalls Chics seltsamer Sohn Lomax oder später die kurze Episode mit Russ und Ginger ist mir nicht ganz so negativ in Erinnerung. Aber "wunderschön" oder gar "warmherzig" (???), wie der Roman im Klappentext angepriesen wird, habe ich ihn auf keiner Seite empfunden. Im Gegenteil ...
Getreu dem Titel "Voran, voran, immer weiter voran" habe ich mich bis zum Ende durch das Buch gekämpft. Als irgendwann klar war, dass mit diesem Motto gar nicht die Figuren gemeint sind, sondern das Leben bzw. die Zeit, die eben immer weiter voranschreitet, egal, ob man etwas tut oder nicht, d.h. sich ins Bett legt und das Leben einfach verrinnen lässt ... da wusste ich, dass ich mir keine Hoffnungen mehr machen musste. Es würde nicht besser werden. Ein Sieg für den Alltagstrott? Jeder Ansatz zum Ausbruch von Vornherein zum Scheitern verurteilt?
Es passt gut zu Chic, dass er den Titel seiner Haikusammlung witzig findet und dann folgende Erläuterung dazu abgibt: "Wir ziehen alle immer weiter voran. Alle in die gleiche Schlacht, hinter dem gleichen Signaltrompeter her. Und dem gleichen Abgrund entgegen." (S. 294) Oder ergänzend dazu vielleicht noch seine Aussage von S. 297: "Aber das Schlimmste kommt erst noch. Und darum geht es in diesen Gedichten. Das Schlimmste ist, dass Sie es nicht aufhalten können. Nichts davon. Das Leben hat seine eigene Dynamik. Voran, voran, immer weiter voran."
Ich gebe dem Buch großzügige 3 Sternchen, weil ich ganz sicher die falsche Leserin dafür war und dem Können des Autors gern gerecht werden möchte. Aber Tatsache ist, dass ich diesen Roman einfach nur deprimierend fand. Und sonst gar nichts.