Voran, voran, immer weiter voran

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waldmeisterin Avatar

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Ryan Bartelmay kann schreiben. Er schreibt in einer schönen Sprache, mit schönen Bildern, leicht verständlich und nicht zuletzt durch die überschaubaren Kapitel, die stets mit den Handlungspersonen und dem Datum überschrieben sind, gut zu lesen. Auch der zeitliche Versatz hat mir gut gefallen, es trägt dazu bei, Spannung aufzubauen, was dem Inhalt leider nicht so ganz gelingt. Und da wären wir auch schon beim größten Kritikpunkt: die Personen bleiben leider recht blass und farblos, trotz Beschreibung ihres gesamten Lebens und vor allem gibt es keinen Sympathieträger. Sie alle schlittern mehr oder weniger von einer Katastrophe in die nächste, versumpfen in ihren Leben und schaffen es nicht, etwas daran zu ändern. Sie tun Dinge, bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Am originellsten sind noch die Namen: Diane von Schmidt; Chic, Buddy, Lijy und Lomax Waldbeeser; Mary und Green Geneseo; Morris Potterbaum. Wobei auch das schon wieder übertrieben ist. Kein einziger hat einen normalen Namen.
Dennoch ist es nicht so, dass ich sagen würde, ich lese nie wieder ein Buch von diesem Autor. Im Gegenteil, ich bin eher gespannt, ob er es schafft, beim nächsten Mal etwas positiver zu sein: vielleicht sollte er sich mal die Bücher Dr. Peale zu Gemüte führen – und beherzigen ;-) Und so deprimierend die Personen und ihre Leben alle sind, stehen sie doch sicher nur stellvertretend für die ganzen Katastrophen, die sich unweigerlich in jedem Leben abspielen und die Reaktion der Protagonisten ist vielleicht auch so, wie die meisten reagieren würden: man nimmt es hin und kämpft nicht. So wie Chic seine Ehe mit Diane hinnimmt, die nun wahrlich nicht toll ist und dennoch vermisst er sie nach ihrem Tod – der Mensch ist ein Gewohnheitstier und gewöhnt sich nicht nur an die unsäglichsten Situationen, sondern findet sie im Nachhinein sogar gut.

Meinen Leseeindruck hatte ich mit der Bemerkung begonnen, dass mir das Tschechow-Zitat, das dem Roman vorangestellt ist, so gut gefällt: „Jeder Idiot kann eine Krise meistern; es ist der Alltag, der uns zermürbt." Eigentlich wollte ich jetzt gerade schreiben, dass es im Nachhinein auch das Beste am ganzen Buch war. Da ist mir aufgefallen, dass es eigentlich eine sehr zutreffende Beschreibung des Inhalts ist: Die Waldbeeser-Brüder und auch Mary Norwood/Geneseo müssen immer wieder Krisen in ihren Leben meistern und stellen sich dabei immer wie Idioten an, zermürbt vom Alltag werden sie zusätzlich und das nicht zu knapp. Wenn dieses Buch einen Inhalt haben sollte, dann den, sich eben nicht vom Alltag zermürben zu lassen, sich in Krisensituationen nicht wie ein Idiot zu verhalten und wenn man unzufrieden in seinem Leben ist, muss man eben selbst etwas verändern und nicht die Zeit immer weiter voranschreiten lassen.