Wer einen Thriller erwartet hat, wird enttäuscht sein

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Soeben habe ich den Roman "Vorsehung" von Liane Moriarty zugeklappt und musste erst einmal tief durchatmen. Ich hatte mich auf einen Thriller eingestellt, denn das Buch fängt richtig spannend an. Eine ältere Dame sagt bei einer Flugreise von Hobart nach Sidney den Passagieren ungefragt deren Sterbedatum und die Todesursache voraus. Das ist schon wirklich spooky. Die einen belächeln ihre Aussagen, die anderen bringen sie durcheinander und machen sie ängstlich. Werden sich die zum Teil sehr düsteren Prognosen bewahrheiten? Soweit war es dann aber auch schon mit dem Nervenkitzel. Im weiteren Verlauf wird das Leben der Menschen nach diesen Prophezeiungen beschrieben. Werden sie sich mit diesem Wissen um ihren Tod anders verhalten, vorsichtiger sein,
oder vielleicht sogar ausschweifender leben? Ich war keineswegs enttäuscht darüber, dass der Spannungsbogen nun ein wenig abnahm, denn jetzt folgte eine gesellschaftliche und menschliche Charakterstudie der Protagonisten. Das macht die Autorin, meiner Meinung nach, brillant. Sie weiß zu beobachten und hat einen flüssigen und sehr bildhaften Schreibstil. Ich sah die einzelnen Personen förmlich vor mir. Die Kapitel sind relativ kurz gehalten und springen zwischen den Protagonisten hin und her. Auch das Leben der alten Dame wird geschildert. Manchmal hätte ich eine Lebensgeschichte gerne sofort weitergelesen, aber da musste ich mich gedulden. "Vorsehung" ist ein Roman, der mich gut unterhalten hat, nicht zuletzt auch wegen des nicht zu kurz kommenden Humors (trotz aller Tragik). Natürlich bleibt man auch ein wenig nachdenklich zurück, denn was wäre, wenn man sein Sterbedatum und die Todesursache kennen würde...?