Brillante und geniale Konstruktion - ein literarischer M. C. Escher

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Die Idee des Buches ist so einfach, so genial und doch ist sie mir noch nicht untergekommen. Franz Escher wartet in seiner Wohnung auf einen Elektriker, weil seine Steckdose einen Wackelkontakt hat. Während des Wartens liest er ein Buch über den Mafia-Kronzeugen Elio Russo alias Marko Steiner, der in seiner Gefängniszelle sitzt und sich die Zeit mit dem Lesen eines Buches vertreibt. Das Buch handelt vom Trauerredner Franz Escher, der in seiner Wohnung auf einen Elektriker wartet, weil seine Steckdose einen Wackelkontakt hat. Die Geschichte entfaltet sich in fließenden Übergängen auf zwei parallelen Ebenen, die auf kunstvolle Weise miteinander verwoben sind. Mitten im Fluss switchen die Welten immer dann, wenn eine Person das Buch in die Hand nimmt, bis sie fluide ineinander übergehen.
In „Wackelkontakt“ gelingt es Wolf Haas meisterhaft, mit der Wahrnehmung zu spielen. Die Erzählung beginnt scheinbar linear, ähnlich wie ein Puzzle, dessen Teile Stück für Stück zusammengefügt werden. Doch schon bald bricht Haas mit dieser Vertrautheit und entführt den Leser in eine Welt, in der die Realität ins Wanken gerät und die Wahrnehmung instabil wird. Franz Escher selbst staunt über die „spiegelverkehrte Situation“, in der er sich plötzlich wiederfindet, was die absurde und doch faszinierende Natur der Geschichte unterstreicht.
Haas verwebt seine narrative Konstruktion im Stil der Kunst des M.C. Escher, der für seine verblüffenden Darstellungen von Paradoxien bekannt ist. Der Protagonist Franz Escher beginnt seine Geschichte mit einem geschenkten Puzzle, das zwei Hände zeigt, die sich gegenseitig erschaffen – ein Bild von M.C. Escher, das unsere gewohnte Sichtweise herausfordert. Genau dieses Konzept überträgt Haas auf die literarische Ebene, indem er die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen lässt und spielerisch mit Paradoxien arbeitet.
„Wackelkontakt“ ist ein Buch, das nicht nur rätselhaft und witzig, sondern auch intellektuell anregend ist. Die absurde Geschichte entfaltet sich mit einem hintergründigen Humor und einer klugen Konstruktion, die den Leser immer wieder zum Staunen bringt. Ich habe das Buch zweimal gelesen, damit ich auch nichts verpassen würde. Mit jeder erneuten Lektüre offenbaren sich neue Details, Anspielungen und überraschende Wendungen, die das Buch zu einem fortwährenden Vergnügen machen. Ein brillantes, ungewöhnliches Werk, das aus unzähligen fein verknüpften Teilen besteht und in jeder Hinsicht überzeugt.