Verschachtelungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
takabayashi Avatar

Von

Etwas vergleichbares habe ich noch nie gelesen, eine ganz neue Leseerfahrung, die vor allem großes Vergnügen bereitet!
Es gibt zwei Hauptfiguren: Der eine ist Franz Escher, ein alleinstehender Mann in mittleren Jahren, von Beruf Trauerredner, mit einem Faible für Puzzles und Literatur jeglicher Art über die Mafia. Der andere ist Elio Russo, ein ehemaliger Mafioso und Kronzeuge gegen einen kalabrischen Ndrangheta-Clan, der nun unter anderem Namen im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Deutschland umziehen wird.
Escher hat in der Küche eine Steckdose mit Wackelkontakt und wartet auf einen Elektriker. Während er wartet, beginnt er zunächst ein neues Puzzle, kann sich aber nicht recht konzentrieren, und liest dann weiter in seinem Buch über den Kronzeugen Elio Russo, alias Marko Steiner …
Elio Russo liest auch ein Buch im Gefängnis, auf Deutsch um Deutsch zu lernen. In diesem Buch geht es um einen Mann namens Escher, der einen Wackelkontakt hat und auf den Elektriker wartet.
Und so lesen die beiden immer abwechselnd das Buch über den jeweils anderen und die Geschichte bekommt allmählich Struktur.
Dass die Hauptfigur Escher heißt, ist natürlich Programm und bezieht sich auf M.C. Escher, von dessen Bild der sich gegenseitig zeichnenden Hände Escher zum 19. Geburtstag ein Puzzle bekommen hat, womit seine Puzzle-Manie in Gang gesetzt wurde. Denn genau wie bei Eschers Bildern, in denen völlig unmögliche Konstellationen dargestellt und miteinander verschränkt werden, so verschränken sich auch die zwei Handlungsstränge, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben. Abgesehen von diesem genialen Kunstgriff ist auch der Schreibstil ausgesprochen gut lesbar und der Humor kommt bei Wolf Haas naturgemäss auch nicht zu kurz.
Die Gestaltung des Schutzumschlags ist noch lobend zu erwähnen und passt hervorragend zu der Geschichte! Alles in allem ein raffiniert konstruierter Roman, kurzweilig und doch anspruchsvoll. Ich kann mir vorstellen, dass die Grundidee dieses Buches, der leicht surreale Charakter, nicht jedermanns Sache ist, aber mich hat gerade das fasziniert und begeistert und ich kann die Lektüre uneingeschränkt empfehlen. Für mich schon jetzt ein Höhepunkt des Jahres!