Ein mutiges Buch über Terrorismus, Verlust, Hoffnung und Schuld

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
minas.libraries Avatar

Von

Rezension zu "Varda – Die Dornen der Rose" von Rose Daniel, erschienen im RoseRed Verlag (Selfpublishing der Autorin)

Triggerwarnung: Das Buch thematisiert Terrorismus, Rechtsextremismus, religiös-politische Konflikte, Gewalt, Tod und Trauer. Es enthält blutige, realistische Darstellungen.

Inhalt (spoilerfrei): Nach einem verheerenden Anschlag erwacht eine junge Frau ohne Erinnerung und findet sich plötzlich inmitten einer Familie wieder, die selbst Opfer des Attentats geworden ist. Während sie dort als „Varda“ ein neues Leben beginnt, holt sie Stück für Stück ihre Vergangenheit ein. Zwischen Liebe, Misstrauen und dem Kampf um Wahrheit entfaltet sich eine Geschichte, die die Grenzen zwischen Opfer und Täter verschwimmen lässt.

Erzählstil: Erzählt wird aus einer auktorialen Perspektive. Man erhält Einblicke in die Gedanken und Motive aller Figuren, d.h. auch der Täter:innen. Das macht die Geschichte komplex und authentisch, aber gleichzeitig führt diese Perspektive zu einer spürbaren Distanz. Ich konnte mich keiner Figur wirklich nah fühlen. Emotionaler Sog blieb für mich dadurch aus, obwohl die Erzählweise für diese Art Geschichte wohl kaum anders möglich gewesen wäre. Sprachlich ist die Autorin klar und schnörkellos, mit Anleihen an Drehbuch-Szenen; kein Wunder, da Rose Daniel ursprünglich für Film schreibt.

Figuren: Die Figuren sind vielschichtig, auch wenn sie für mich schwer greifbar blieben. Besonders spannend fand ich, dass auch Täter:innen nicht eindimensional schwarz gezeichnet sind, sondern als Menschen mit Familien, Hoffnungen und persönlichen Geschichten erscheinen. Dadurch wird klar: „das Böse“ existiert nicht losgelöst, sondern inmitten von menschlichen Bezügen.
Mitfühlen konnte ich am ehesten mit der trauernden Familie Al-Bari; deren Schmerz ist sehr authentisch gezeichnet. Vardas/Agneshas Entwicklung ist ebenfalls nachvollziehbar dargestellt. Schwieriger fand ich Tama: Er steht für Gerechtigkeit und Atheismus, macht aber auch stereotype, männlich geprägte Aussagen, die nicht kritisch reflektiert werden. Ob die Autorin überhaupt wollte, dass man mit einer Figur wirklich sympathisiert, bleibt offen.

Symbolik: Die Rose zieht sich als Symbol konsequent durch das gesamte Buch: vom Pseudonym der Autorin über den Verlagsnamen bis hin zur Protagonistin und schließlich zum Titel „Die Dornen der Rose“. Auch innerhalb der Geschichte wird die Metapher ständig aufgegriffen: Schönheit, die verführt, aber auch verletzt, ähnlich wie die Liebe, was Tama immer wieder betont. Für mich persönlich war das deutlich zu präsent. Hier hätte ich mir eine subtilere, zurückhaltendere Gestaltung gewünscht, weil die Symbolik sonst schnell überladen wirkt. Das ist zwar letztlich eher ein oberflächlicher Kritikpunkt, hat mir aber spürbar den Eindruck getrübt.

Fazit: Varda greift ein hochaktuelles, wichtiges Thema auf, das in der Literatur noch viel zu selten behandelt wird. Liebe versus Hass, Schuld versus Hoffnung. All das wird in einer komplexen, manchmal sehr drastischen Geschichte verhandelt. Der Anfang zieht sich etwas, das Ende driftet ins Actionreiche, doch insgesamt ist es ein mutiges, eindringliches Werk, das zum Nachdenken über Gewalt, Religion, Verlust und Menschlichkeit anregt.

3,5 Sterne (aufgerundet 4 Sterne für das mutige Thema)