Wichtiges Thema aber nicht 100% umgesetzt

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Der Roman beginnt mit einem eindrucksvollen, spannungsgeladenen Einstieg: Der geschilderte Anschlag zieht die Leser sofort in die Handlung. Doch nach diesem starken Auftakt verliert die Geschichte spürbar an Dynamik. Im Zentrum steht fortan das neue Leben der Protagonistin bei einer Ersatzfamilie – ein Handlungsstrang, der sich in Teilen etwas zieht. Die Rückkehr ihrer Erinnerungen wird hingegen eher knapp behandelt, obwohl gerade dieser innere Wandel großes erzählerisches Potenzial bietet. Auch der innere Zwiespalt zwischen alter und neuer Identität bleibt nur oberflächlich angerissen.
Die Figurenzeichnung bleibt insgesamt recht eindimensional. Besonders die Hauptfigur Agnesa wird wiederholt über ihr äußeres Erscheinungsbild definiert – vor allem ihre Schönheit steht im Vordergrund. Ihre Beziehung zu Tamer wirkt dadurch wenig glaubwürdig, da sie anfangs kaum Gefühle zeigt oder sich ihm gegenüber öffnet. Die emotionale Tiefe zwischen den Charakteren bleibt dadurch begrenzt.
Stilistisch überzeugt der Roman mit einer klaren, ruhigen Sprache und einem einfühlsamen Umgang mit den Themen Terror und Gewalt. Positiv hervorzuheben ist auch die kritische Auseinandersetzung mit Rache und Selbstjustiz. Diese moralischen Fragen regen zum Nachdenken an – leider rücken sie im Verlauf etwas in den Hintergrund, während die Liebesgeschichte stärker in den Fokus rückt. Ein vertiefter Blick auf die psychologischen und ethischen Aspekte hätte der Geschichte mehr Substanz verliehen.