Berührend, einfühlsam, traurig und wunderschön zugleich!

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corniholmes Avatar

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Als ich das erste Mal von dem Buch „Warten auf Wind“ hörte, wusste ich sofort, dass ich es lesen muss. Ein berührender Sommerroman mit einer eigenwilligen Protagonistin – das klang einfach nach einer Geschichte ganz nach meinem Geschmack. Da mir auch das Cover auf Anhieb gefiel, zögerte ich wirklich keine Sekunde lang und ließ das Buch nur zu gerne bei mir einziehen.

Nichts liebt Vinga mehr als Zeit bei ihrem Opa auf der Insel zu verbringen, weit weg von all ihren Problemen. Hier kann sie glücklich sein, hier gibt es keine traurige Mutter, die mit der neuen Lebenssituation vollkommen überfordert ist, hier gibt es keinen Papa, der sie und Mama für seine neue Freundin verlassen hat. Hier gibt es nur das weite Meer, ihren wunderbaren Opa und das kleine Boot, das Vinga in diesem Sommer unbedingt seetüchtig machen möchte.
Dieses Mal ist jedoch etwas anders als sonst. Eines Tages steht plötzlich Rut vor – ein schwarzhaariges Mädchen in schwarzen Klamotten, das so ganz anders ist als Vinga. Rut hasst die Insel und das Meer. Sie will hier gar nicht sein, sondern den Sommer viel lieber in der Stadt verbringen. Obwohl die Mädchen so verschieden sind, verstehen sie sich und verbringen immer mehr Zeit miteinander. Es soll unvergesslicher Sommer für die beiden werden.

Als ich mit dem Lesen begann, war ich mir bereits nach wenigen Seiten ziemlich sicher, dass ich mal wieder einen echten Glückstreffer gelandet habe und mit „Warten auf Wind“ einen ganz besonderen Roman in Händen halte. Meine anfängliche Vermutung sollte sich dann auch als goldrichtig erweisen: Mir hat das Buch wunderbare Lesestunden bereitet.
Oskar Kroon hat mit „Warten auf Wind“ eine überaus bewegende und tiefsinnige Geschichte über viele aktuelle und teils sehr ernste Themen aufs Papier gebracht, für die er meiner Meinung nach zurecht mit dem Augustpreis ausgezeichnet wurde. Ich muss allerdings sagen, dass ich mich der Altersempfehlung vonseiten des Verlags nicht komplett anschließen kann. Die Handlung wird sehr unaufgeregt erzählt wird – ich könnte mir vorstellen, dass sie für viele Kinder insgesamt zu ruhig ist. Ein weiterer Punkt, der mich mit der Altersangabe ein wenig hadern lässt und der für mich auch mehr ins Gewicht fällt, ist die melancholische und teils recht drückende Stimmung der Geschichte. Vor allem das Ende ist ziemlich traurig und für so manch jüngere Leser*in vielleicht zu aufwühlend. Vielleicht unterschätze ich die Zielgruppe auch, keine Ahnung, ich jedenfalls würde das Buch erst ab 12 oder 13 Jahren empfehlen.

Erfahren tun wir alles aus der Sicht von Vinga in der Ich-Perspektive. Vinga habe ich sofort in mein Herz geschlossen und dank der gewählten Erzählform ist es mir von von Beginn an mühelos geglückt mich in unsere Hauptprotagonistin hineinzuversetzen.
Vingas Frust und Wut, weil ihr Vater sie und ihre Mama für diese doofe Angelica verlassen hat; ihre Traurigkeit, weil sie ihren Papa so vermisst; ihr Gefühl, anders zu sein; ihre Einsamkeit; ihre riesige Freude darüber, endlich wieder bei ihrem geliebten Opa auf der Insel sein zu können; ihre Liebe zum Meer; ihre verwirrenden Empfindungen bezüglich Rut; ihr großer Schmerz am Ende der Geschichte – all dies beschreibt der Autor auf eine sehr anschauliche, empathische und glaubhafte Weise, sodass man das Fühlen und Denken unserer Romandheldin jederzeit verstehen und nachvollziehen kann. Mich haben Vingas Gedankengänge und die Art und Weise, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt, unheimlich bewegt und fasziniert.

Auch mit den Nebenfiguren konnte mich der Autor überzeugen. Da hätten wir zum Beispiel Vingas Großvater, ein etwas kauziger, aber total liebenswerter Kerl, und natürlich Rut, das Mädchen, das so ganz anders ist als Vinga. Die Zwei sind wahrlich ziemliche Gegensätze, passen aber vermutlich gerade deswegen so gut zusammen. Bezüglich Rut muss ich gestehen, dass sie mir nicht so wirklich sympathisch war, aber wie die langsame Annäherung der beiden Mädchen beschrieben wird, hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Ganz angetan bin ich auch von dem Schreibstil. Die Geschichte ist in einer beeindruckend bildhaften Sprache geschrieben, die ruhig und kraftvoll zugleich ist und einem richtiggehend das Gefühl gibt, selbst vor Ort zu sein. Man meint beim Lesen die Hitze des Sommers regelrecht spüren und das Kreischen der Möwen und Rauschen der Wellen buchstäblich hören zu können.
Mit dem Setting konnte das Buch definitiv vollends bei mir punkten. Mir hat die Kulisse wahnsinnig gut gefallen und auch von der Atmosphäre, die eine einzigartige Mischung aus Melancholie und sommerlicher Leichtigkeit enthält, bin ich richtig begeistert.

Da mich die Handlung durchgehend mitreißen konnte, sich der Schreibstil super angenehm für mich hat lesen lassen und die Kapitel sehr kurz sind, bin ich nur so durch die Seiten geflogen und obwohl das Ende ein recht trauriges ist, habe ich das Buch mit einem glücklichen Gefühl wieder zuklappen können.

Fazit: Einfühlsam, authentisch, außergewöhnlich. Eine tief berührende und nachdenkliche Geschichte über Freundschaft, Liebe, Selbstfindung, die Trennung der Eltern, Verlust und Veränderungen.
Oskar Kroon hat mit „Warten auf Wind“ einen ganz besonderen Coming-Age-Roman geschrieben, der leise und stürmisch zugleich ist, eine gelungene Mischung aus Tiefgang, Emotionen, Ernst, Unterhaltung und sommerlicher Unbeschwertheit enthält und wunderschön geschrieben ist. Mir hat das Buch ein bezauberndes Leseerlebnis beschert. Ich kann es nur empfehlen und vergebe 4,5 – hier gerundet auf 5 von 5 Sternen!