Das Gericht für gefallene Engel

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wal.li Avatar

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Als Brek auf dem Bahnhof zu sich kommt, ist sie verwirrt. Wo ist sie? Wie ist sie hier hergekommen? Ist sie etwa tot? Und wie kommt die Milch auf ihr schickes Kostüm? Es schien doch eben noch alles ganz normal zu sein. Brek versucht sich zu sammeln und zu orientieren. Sie ist dankbar als Luas sie zu ihrer Großmutter bringt. Doch von der Aufgabe, die sie bekommen soll, will sie zunächst nichts wissen. Sie soll Seelen vor dem Gericht präsentieren. Schon sehr schnell merkt sie, dass die Verteidigung dabei zu kurz kommt. Und als gute Anwältin beklagt sie diesen Mißstand.

Sehr spannend liest sich dieses Buch. Nach und nach wird dem Leser klar, was es mit dem Gericht und den Präsentationen auf sich hat. Brilliant komponiert ist die Handlung, die den Leser zu einem Finale führt, dass wahrlich schwer zu schlucken ist.
Doch je mehr ich beim Lesen voranschritt, desto mehr kam ich ins Nachdenken und ich fragte mich, ob ich den Gedankengängen des Autors einfach so folgen kann oder möchte. Um da ein paar Informationen zu erlangen, habe ich mir zunächst mal die web-site des Autors angesehen, wo dieser seinen religiösen und beruflichen Hintergrund darstellt. Und ich habe etwas gemacht, was ich vor dem Schreiben einer Besprechung eigentlich nie tue, um nicht voreingenommen zu sein. Ich habe mir die Rezensionen auf Amazon.com angeschaut. Da konnte ich bei den wenigen bisher vorhandenen Kritiken eigentlich nur feststellen, dass die Leser sich mit gewissen Teilen der Geschichte kaum beschäftigten, teilweise die Engel vermissten und sehr neutral an das Buch herangingen. Ich jedoch habe den Eindruck gewonnen, dass der Autor trotz gewissenhafter Recherche über das Ziel hinausgeschossen ist. Da wird wirklich jede glaubende Gruppe bemüht, die Ziele und Fehler, um nicht zu sagen die Sünden und Verbrechen beleuchtet, das „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ herangezogen, um den Sinn der Handlung aber auch jedem wirklich klar zu machen. In meinen Augen wäre hier eine weniger plakative und holzschnittartige Darstellung mehr gewesen, denn einige Entscheidungen und Überlegungen möchte man als Leser doch selbst treffen oder anstellen.
Zwar ist die Entwicklung Breks logisch und stimmig und sie trifft eine Entscheidung, die sie von vielen abhebt, doch ich frage mich, ob der Autor sie nicht auch auf anderem Weg dorthin hätte führen können, ohne die nachvollziehbare Aussage seiner Geschichte dem Leser nahezu aufzudrängen. So hat mich dieses Buch zwar sehr zum Nachdenken angeregt, doch leider wahrscheinlich nicht in die Richtung, die der Autor gewünscht hat. Denn spannend war das Buch, neugierig machte es mich anfänglich und auch die Auflösung hatte eine gewisse Überzeugungskraft. Doch da ich nicht aus einem religiös geprägten Umfeld komme, waren mir einige Grundaussagen einfach zu aufdringlich. Hätte ich das anhand der Leseprobe schon erahnen können, hätte ich keinen Leseeindruck hinterlassen. Natürlich bin ich dankbar, dass ich das Buch lesen durfte, denn ich will ja auch Unbekanntem gegenüber offen sein. Doch hier hat sich halt die Kenntnis, die ich von meinem Lesegeschmack hatte, durch die Lektüre bestätigt.