vorhersehbar und dennoch schockierend

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moendchen Avatar

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Das Buch fiel mir zunächst durch sein wunderschönes Cover auf. Das Bild einer schwimmenden Frau, scheinbar mit Pinselstrichen gemalt, verbergt geschickt die Dunkelheit und Kälte des Meeres.

Die Geschichte wird ohne Kapitel, sondern in Teilen erzählt, als würde eine Freundin von ihrem vergangenen Jahr erzählen. Die Details sind vorhanden, aber nicht ausschweifend - sie stehen nicht im Vordergrund. Ein linearer Erzählstrang fehlt, und zum Ende hin, überwältigt von Emotionen, kann es herausfordernd werden, dem Geschehen zu folgen.

Wir verfolgen die Geschichte von Vida, die sich zunächst ihrem geordneten Leben ergibt, nur um sich nach und nach dagegen zu wehren. Als sie eine unkonventionelle Freundschaft zu Marie aufbaut, ahnt der Leser vielleicht, wohin die Handlung führt. Die schmerzhaft realistisch dargestellte Familie und die Gefühle, die zunächst langsam und dann erdrückend werden, wirken anfangs noch harmlos, zerreißen einen aber förmlich am Ende.

Der Konflikt entfaltet sich relativ spät. Erst auf den letzten 100 Seiten von insgesamt 300 steigt die Spannung, und dann lässt sie einen nicht mehr los. Die letzten 40 Seiten fühlen sich an, als würde nicht nur Vida vor Schmerz zerrissen werden, sondern auch der Leser. Die letzten 20 lassen sowohl Vida als auch den Leser überwältigt und zitternd zurück.

Ein besser verteilter Spannungsbogen wäre wünschenswert gewesen. Anfangs plätscherte die Handlung angenehm dahin, dann kurzzeitig zäh und langsam, nur um dann wie ein Tsunami über einen einzubrechen. Dennoch kann ich dieses Buch jedem empfehlen, der kunstvolle Schreibstile, alternative Erzählstränge und innere Konflikte zu schätzen weiß.

Für mich verdient es 4,5 Sterne.