Leider enttäuschend

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kainundabel Avatar

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Ja, schön ist er, der Westerwald. Als Nachbarbewohner kenne ich die Landschaft sehr gut. Ob die Menschen dort allerdings glauben, dass tote Mäuse gegen Augenleiden helfen und ein Dieb gestohlenes Gut zurückbringt, wenn man Friedhofserde in der Pfanne brät, weiß ich nicht. Ist aber eh nicht wichtig. Schließlich ist „Was man von hier aus sehen kann“ ein Roman und damit in seiner Fiktion völlig frei. Und so bewegen sich Figuren und Handlung im Mikrokosmos eines überschaubaren Ortes. Da bringt die nicht richtig schließende Tür eines Regionalzugs einen jungen Mann zu Tode, der Vater der Ich-Erzählerin Luise ist zwecks Lebensverwirklichung nahezu permanent auf Reisen, ihre Mutter betreibt einen Blumenladen und ein Verhältnis mit dem Eiscafébesitzer, der Optiker will den Jäger umbringen und liebt Luises Oma Selma, die das Orakel in Person ist. Träumt sie von einem Okapi (!), stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Und Luise selbst? Arbeitet bei einem Buchhändler und ist verliebt in einen buddhistischen Mönch aus Japan, der eines Tages unvermittelt durch das westerwäldische Unterholz in ihr Leben einbricht. Stoff genug für einen intensiven Blick auf die dörfliche Struktur, in der nun einmal jeder mit jedem in irgendeiner Verbindung steht. An und für sich liebe ich Literatur, die ihr Augenmerk auf einen solchen regional begrenzen Kosmos und seine Bewohner richtet. Entsprechend euphorisch habe ich mit dem Lesen begonnen, freute ich mich doch darauf, in dieses Beziehungsgeflecht einzutauchen, alle denkbaren Typen mit ihren guten, schlechten, skurrilen Charakterzügen kennen zu lernen. Letztlich war der Roman für mich wie eine Achterbahnfahrt mit einigen Höhen, vielen Tiefen und dem mehrmaligen Drang, das Buch einfach beiseite zu legen. Aber wie das so ist: Bei Achterbahnfahrten steigt man auch nicht einfach während der Fahrt aus, und so habe ich tapfer durchgehalten. Leider wurden meine anfänglichen Erwartungen nicht erfüllt, es entwickelte sich keinerlei Empathie für die Personen, die Handlung blieb mir seltsam fremd, mitunter absurd, banal, spannungsarm und blutleer. Auch der Sprache konnte ich wenig abgewinnen. Mir erscheint der Roman wie eine Zettelkastensammlung von Ideen, die zusammengefügt kein Ganzes ergibt. Vielleicht fehlt mir auch einfach das Verständnis dafür, dass es sich lt. Klappentext um ein „Buch über die Liebe unter besonderen Vorzeichen“ handeln soll, eine Liebe, „die scheinbar immer die ungünstigen Bedingungen wählt“. Dass die Autorin „zu den kraftvollsten, den unverwechselbaren Stimmen der deutschen Literatur“ gehören soll, kann ich nur schwerlich nachvollziehen.