Über den Tod und das Leben

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apomaus Avatar

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Dieses Buch zu beschreiben ist schwierig. Worum geht es? Um die Bewohner eines Dorfes im Westerwald. Es sind wenige Menschen und sie sind miteinander verbunden, auf höchst unterschiedliche Weise. Verwandt, verliebt, ertragen oder getragen von den anderen. Selma ist irgendwie das Herz dieser Gemeinschaft. Wenn sie von einem Okapi träumt, dann stirbt jemand. Das glauben im Grunde alle, auch wenn sie es sich oder den anderen vielleicht nicht eingestehen. Und es stimmt ja auch. Aber auch sonst ist Selma das Zentrum des Dorflebens. Wenn etwas schwierig wird, dann fragt man sie und Selma rät und handelt auch.
Mariana Leky hat eine ungewöhnlich bildhafte Sprache. Sie findet statt eines Vergleiches mehrere und sie schreibt dann auch mehrere hin. Das wirkt nicht langweilig oder übertrieben, es lässt den Gedanken einfach länger stehen und führt so zu einem gründlichen Durchdenken beim Lesen.
In diesem Buch geht es auch um Trauer und den Umgang damit; Mariana Leky macht die Trauer verstehbar, begreifbar, nachvollziehbar. Es gäbe hier viele Sätze zu zitieren, wie sie ungeheuer sensibel Gefühle schildert. Die Bilder, die sie wählt, sind ungewöhnlich und doch sofort klar. Ein Beispiel mag das illustrieren: Luise, die Ich-Erzählerin, hat ihren besten Freund durch einen plötzlichen Unfalltod verloren. Sie klammert sich am Tag der Beerdigung auf dem Schoß schlafend an ihre Großmutter und lässt sie drei Tage lang nicht los. Die Großmutter trägt sie diese Zeit ständig mit sich und versucht nicht, sie zu lösen. Als der Zeitpunkt gekommen ist, wird sie von der Großmutter geweckt und sagt "Ich möchte nicht aufwachen." Wer schon einmal getrauert hat, weiß, dass dieser Satz in seiner Einfachheit das unerträgliche Gefühl, weiterleben zu müssen, auf den Punkt bringt.
Das ist die große Stärke dieses Buches. Mariana Leky findet Worte für Gefühle, die schwer auszudrücken sind und sie tut das mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit. "Es sind nicht mehr alle da. Aber die Welt gibt es noch. Die ganze Welt minus eins."
Unbedingt lesenswert für Menschen, die gerne über Leben und Tod nachdenken.